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von Nürtingen; meinem Gewerbe nach bin ich ein Spielmann und musiziere auf Märkten und Kirchweihen, wenn die ledigen Bursche und die jungen Mägdlein tanzen wollen. Deswegen nannte man mich den Pfeifer von Hardt. Aber dieser Name hat sich mit Unthat und Blut befleckt in einer bösen Zeit, darum habe ich ihn abgethan und kann ihn nimmer leiden.“

Georg maß ihn mit einem durchdringenden Blick, indem er sagte: „Ich weiß wohl, in welcher bösen Zeit; als ihr Bauern gegen euern Herzog rebelliert habt, da warst du einer von den ärgsten. Ist’s nicht also?“

„Ihr seid wohlbekannt mit dem Schicksal eines unglücklichen Mannes“, sagte der Bauer, finster zu Boden blickend, „Ihr müßt aber nicht glauben, daß ich noch derselbe bin. Der Heilige hat mich gerettet und meinen Sinn geändert, und ich darf sagen, daß ich jetzt ein ehrlicher Mann bin.“

„O, erzähle mir“, unterbrach ihn der Jüngling, „wie ging es zu in jenem Aufruhr? wie wurdest du gerettet, wie kommt’s, daß du jetzt dem Herzog dienst?“

„Das alles will ich auf ein andermal versparen“, entgegnete jener, „denn ich hoffe, nicht zum letztenmal an Eurer Seite zu sein; erlaubt mir dafür, daß ich auch Euch etwas frage: wo soll Euch denn dieser Weg hinführen? da geht nicht die Straße nach Lichtenstein!“

„Ich gehe auch nicht nach Lichtenstein“, antwortete Georg niedergeschlagen; „mein Weg führt nach Franken zu dem alten Oheim; das kannst du dem Fräulein vermelden, wenn du nach Lichtenstein kommst.“

„Und was wollt Ihr beim Oheim? Jagen? das könnt Ihr anderswo ebensogut; Langeweile haben? die kauft Ihr allerorten wohlfeil. Kurz und gut, Junker“, setzte er gutmütig lächelnd hinzu, „ich rate Euch, wendet Euer Roß und reitet so ein paar Tage mit mir in Württemberg umher; der Krieg ist ja so gut als beendigt, man kann ganz ungehindert reisen.“

„Ich habe dem Bund mein Wort gegeben, in vierzehn Tagen nicht gegen ihn zu fechten; wie kann ich also nach Württemberg gehen?“

[149] „Heißt denn das gegen ihn fechten, wenn Ihr ruhig Eure Straße ziehet? So, also vierzehn Tage lang, in vierzehn Tagen glauben sie den Krieg vollendet? Wird noch mancher nach vierzehn Tagen den Kopf verstoßen an den Mauern von Tübingen. Kommt mit, es ist ja nicht gegen Euren Eid!“

„Und was soll ich in Württemberg“, rief Georg schmerzlich, „soll ich recht in der Nähe sehen, wie meine Kriegsgesellen bei Eroberung der Festen sich Ruhm erwerben? Soll ich den Bundesfahnen, denen ich auf ewig Lebewohl gesagt und den Rücken gekehrt, noch einmal begegnen? Nein! nach Franken will ich ziehen, in meine Heimat“, sagte er düster, indem er die umwölkte Stirn in die Hand stützte, „in meine alte Mauern will ich mich begraben und träumen, wie ich hätte glücklich sein können!“

„Das ist ein schöner Entschluß für einen jungen Mann von Euerm Schrot und Korn! Habt Ihr denn in Württemberg gar nichts zu thun, als des armen Herzogs Burgen zu stürmen? Nun, reitet immerhin“, fuhr er fort, indem er den Jüngling mit listigem Lächeln anblickte, „versucht einmal, ob der Lichtenstein nicht mit Sturm genommen werden könne.“

Der junge Mann errötete bis in die Stirne hinauf. „Wie magst du nur jetzt deinen Scherz treiben“, sagte er, halb in Unmut, halb lächelnd, „wie magst du mit meinem Unglück spaßen?“

„Fällt mir nicht ein, Scherz mit meinem gnädigen Junker zu treiben“, antwortete sein Gefährte; „es ist mein voller Ernst, daß ich Euch bereden möchte, dorthin zu ziehen.“

„Und was dort thun?“

„Nun! den alten Herrn für Euch gewinnen und die Thränen des bleichen Fräuleins stillen, das wegen Euch Tag und Nacht weint!“

„Und wie soll ich auf den Lichtenstein kommen? der Vater kennt mich nicht, wie soll ich mit ihm bekannt werden?“

„Seid Ihr der erste Rittersmann, der nach Sitte der Väter eine freie Zehrung in einem Schloß fordert? Lasset nur mich dafür sorgen, so sollt Ihr bald auf den Lichtenstein kommen!“

Der Jüngling sann lange Zeit nach, er erwog alle Gründe für und wider, er bedachte, ob es nicht gegen seine Ehre sei, statt vom

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 148–149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_097.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)