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Georg hatte seinen Hunger gestillt und betrachtete jetzt mit aufmerksamem Auge die Gegend. Es war ein schönes, breites Thal, in welches sie hinabsahen. Ein kleines Flüßchen eilte schnell durchhin, die Felder, wovon es begrenzt war, schienen gut und fleißig angepflanzt, eine freundliche Burg erhob sich auf einem Hügel am andern Ende des Thales, die ganze Gegend war freundlicher als der Gebirgsrücken, über welchen sie gezogen waren.

„Es scheint, wir haben die Alb verlassen?“ sagte der junge Mann, indem er sich zu seinem Gefährten wandte, „dieses Thal, jene Hügel sehen bei weitem freundlicher aus als der Felsenboden und die öden Weideplätze, die wir durchzogen. Selbst die Luft weht hier milder und wärmer als oben, wo uns die Winde oft so hart anfaßten.“

„Ihr habt recht geraten, Junker“, sagte Hans, indem er die Reste ihrer Mahlzeit sorgfältig in den Sack legte; „diese Thäler gehören schon zum Unterland, und jenes Flüßchen, das Ihr sehet, strömt in den Neckar.“

„Wie kommt es aber, daß wir so weit vom Weg abbiegen?“ fragte Georg, „es kam mir schon oben im Gebirge vor, als haben wir die alte Richtung verlassen, aber du wolltest nie darauf hören. Dieser Weg muß, soviel ich die Lage von Lichtenstein kenne, viel zu weit rechts führen.“

„Nun, ich will es Euch jetzt sagen“, antwortete der Bauer, „ich wollte Euch auf der Alb nicht unnötig bange machen, jetzt aber sind wir, so Gott will, in Sicherheit; denn im schlimmsten Fall sind wir keine vier Stunden mehr von Hardt, wo sie uns nichts mehr anhaben sollen!“

„In Sicherheit?“ unterbrach ihn Georg verwundert, „wer soll uns etwas anhaben?“

„Ei, die Bündischen“, erwiderte der Spielmann, „sie streifen auf der Alb, und oft waren ihre Reiter keine tausend Schritte mehr von uns; mir für meinen Teil wäre es nicht lieb gewesen, in ihre Hände zu fallen, denn sie sind mir, wie Ihr wohl wisset, gar nicht grün; und auch Euch wäre es vielleicht nicht ganz recht, gefangen vor den Herrn Truchseß geführt zu werden!“

[155] „Gott soll mich bewahren!“ rief der Junker, „vor den Truchseß? Lieber lasse ich mich auf der Stelle totschlagen. Was wollen sie denn aber hier? Es ist ja hier in der Nähe keine Feste von Württemberg, und du sagtest mir ja doch, sie können ungehindert durchs Land ziehen; wornach streifen sie denn?“

„Seht Junker, es gibt überall schlechte Leute; was ein rechter Württemberger ist, der läßt sich eher die Haut abziehen, als daß er den Herzog verrät, nach welchem die Bündler jetzt ein Treibjagen halten.[1] Aber der Truchseß soll unter der Hand einen ganzen Haufen Gold versprochen haben, wenn man ihn fängt; er hat seine Reiter ausgeschickt, diese streifen jetzt überall, und die Leute sagen, es gebe einige unter den Bauern, die sich vom Gold blenden lassen und den Spürhunden alle Klingen und Schlupfwinkel zeigen.“[Hauff 1]

„Nach dem Herzog sollen sie streifen? Der ist ja aus dem Lande geflohen oder, wie andere sagen, in Tübingen auf seinem festen Schlosse, wo ihn vierzig Ritter beschützen.“

„Ja, die vierzig Edlen sind dort“, antwortete der Bauer mit schlauer Miene; „auch des Herzogs Söhnlein, der Christoph, ist dort, das hat seine Richtigkeit, ob aber der Herzog selbst dort ist, weiß niemand recht. Im Vertrauen gesagt, wie ich ihn kenne, schließt er sich auch nur zur höchsten Not in eine Feste ein; er ist ein kühner, unruhiger Herr, und es ist ihm wohler in den Wäldern und Bergen, wenn es auch Gefahr hat.“

„Den Herzog also suchen sie? Also müßte er hier in der Nähe sein?“

„Wo er ist, weiß ich nicht“, erwiderte der Pfeifer von Hardt, „und ich wollte wetten, dies weiß niemand als Gott; aber wo er sein wird, weiß ich“, setzte er hinzu, und es schien Georg, als ob ein Strahl von Begeisterung aus dem Auge dieses Mannes breche: „wo er sein wird, wenn die Not am höchsten ist, wo seine Getreuen sich zu ihm finden werden, wo manche treue Brust zur Mauer werden wird, um den Herrn in der Not gegen diese Bündler zu schützen. Denn ist er auch ein strenger Herr, so ist er doch


Anmerkungen (Hauff)

  1. [167] Ulerich beklagt sich mehreremal über die Nachstellungen seiner Feinde. Im Jahr 1534 soll ein für ihn von Dieterich Spät gedungener Meuchelmörder gefangen worden sein. Sattler, Gesch. d. Herzoge, 3, Seite 47. Im Jahr 1536 wurde im Amt Dornstätten ein Zigeuner verhaftet, welcher aussagte, von Herzog Wilhelm in Bayern für Ermordung des Herzogs drei Gulden bekommen zu haben. C. Pfaff, Geschichte I, 288. Ein Beweis, daß solche Versuche vorkamen.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 154–155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_100.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)