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Es kostete den jungen Mann nicht geringe Mühe, den vielen Knicksen der Pfeifersfrau Einhalt zu thun; sie hatte in ihrer Jugend einmal auf dem Schloß zu Neuffen gedient und wußte, was Lebensart war; daher blieb sie mit der rauchenden Schüssel an ihrer eigenen Schwelle stehen, bis ihr der gestrenge Junker ernstlich befahl, vorzutreten. Die Tochter aber stand errötend hinter der runden Frau, und ihr verschämtes Gesicht ward nur auf Augenblicke sichtbar, wenn die Mutter sich recht tief verneigte. Auch sie machte die gehörige Anzahl Knickse, doch mochten sie nicht so ungemein ehrerbietig sein, denn sie hatte ja schon ein halb Stündchen mit ihm geplaudert.

Das Mädchen deckte jetzt den Tisch mit frischen Linnen, setzte dem Junker das Habermus und den Wein an den Ehrenplatz in der Ecke der Bank unter dem Kruzifix; dann steckte sie einen zierlich geschnitzten hölzernen Löffel in das Mus, er blieb aufrecht darin stehen, und es war dies ein gutes Zeichen, daß das Frühstück delikat bereitet sei. Als der Junker sich niedergelassen hatte, setzten sich auch Mutter und Tochter an den Tisch zu ihrem Suppennapf, doch in bescheidener Entfernung und nicht ohne das Salzfaß zwischen sich und ihren vornehmen Gast zu stellen. Denn so wollte es die Sitte in den guten, alten Zeiten.

Georg hatte, während sie das Frühmahl verzehrten, Muße genug, die beiden Frauen zu betrachten. Er gestand sich, daß die Hausehre des Pfeifers von Hardt eine stattliche Frau sei, die vielleicht manchen weniger kühnen Mann als seinen Führer und Erretter unter die Stelzen ihrer gewichtigen Schuhe (Pantoffel hatte sie wohl nicht) gebracht hätte. Auch das Kind des Spielmanns dünkte ihm eine liebliche Dirne, und ein so schöner Kopf, solche freundliche Augen hätten vielleicht in seinem Herzen einen nicht zu verachtenden Raum gewonnen, wäre es nicht von einem Bild schon ganz erfüllt gewesen, wäre nicht die Kluft so unendlich groß gewesen, welche Geburt und Verhältnisse zwischen den Erben des Namens Sturmfeder und der geringen Tochter des Pfeifers von Hardt befestigt hatte. Nichtsdestoweniger ruhten seine Blicke mit Wohlgefallen auf ihren reinen, unschuldigen Zügen, und wäre die runde Frau nicht mit ihrer Suppe zu beschäftigt [183] gewesen, so wäre ihr wohl die Röte nicht entgangen, die auf den Wangen ihres Kindes aufstieg, wenn zufällig einer ihrer verstohlenen Blicke dem Auge des jungen Mannes begegnete.

„Der Napf ist leer, jetzt ist es Zeit zu schwatzen.“ Dieser richtige Spruch galt auch hier, sobald das Tischtuch weggenommen war. Georg lagen vornehmlich zwei Dinge am Herzen; er mußte gewiß sein, wann der Pfeifer von Lichtenstein zurückkommen würde, weil er nur seine Nachrichten über die Geliebte abwarten wollte, um dann sogleich zu ihr zu eilen; und zweitens war es ihm sehr wichtig, zu erfahren, wo das Heer des Bundes in diesem Augenblick stehe. Über das erstere konnte er keine weitere Auskunft erhalten, als was ihm das Mädchen früher schon gesagt hatte; der Vater sei etwa seit sechs Tagen abwesend, habe aber versprochen, am fünften Abend wieder hier zu sein, und sie erwarten ihn daher stündlich. Die runde Frau vergoß Thränen, indem sie dem Junker klagte, daß ihr Mann, seitdem dieser Krieg begonnen, kaum einige Stunden zu Haus gewesen sei; er sei von früheren Zeiten her schon als ein unruhiger Mann berüchtigt; jetzt murmeln die Leute auch wieder allerlei über ihn, und gewiß bringe er seine Frau und sein Kind durch sein gefährliches Leben noch in Unglück und Jammer.

Georg suchte alle Trostgründe hervor, um ihre Thränen zu stillen; es gelang ihm wenigstens insoweit, daß sie ihm seine Fragen nach dem Bundesheer beantwortete.

„Ach Herr“, sagte sie, „des ist a Graus und a Jomer; ’s ist grad wie wenn der wild’ Jäger uf de Wolka reitet und mit seine g’schpenstige Hund übers Land wegzieht. ’s ganz Unterland hent se schau, und jetzt goth’s mit em hella Haufa ge Tibenga.“

„So sind die Festungen alle schon in ihrer Hand?“ fragte Georg verwundert; „Höllenstein, Schorndorf, Göppingen, Teck, Urach? Sind sie alle schon eingenommen?“

„Älles hent se; a Mann vo Schorndorf hot’s g’sait, daß se de Höllastoi, Schorndorf und Göppenga hent. Aber von Teck und Aurich kane uich ganz gnau berichta, mer send jo koine drei, vier Stund davo.“ Sie erzählte nun, am dritten April sei das Heer vor Teck gezogen; sie haben einen Teil des Fußvolkes vor

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 182–183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_114.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)