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hast du ihm beigestanden, als er mit mir focht? Gehe! du willst mich belügen!“

„Gewiß nicht, Junker“, antwortete der Pfeifer; „es ist, Gott weiß es, wahr, daß jener Mann derzeit keinen Namen hat; wenn Ihr übrigens durchaus erfahren wollet, was er ist, so wisset, er ist ein Geächteter, den der Bund aus seinem Schloß vertrieb; einst aber war er ein mächtiger Ritter im Schwabenland.“

„Der Arme! darum also ging er so verhüllt? und mich hielt er wohl für einen Meuchelmörder! Ja, ich erinnere mich, daß er sagte, er wolle sein Leben teuer genug verkaufen.“

„Nehmt mir nicht übel, werter Herr“, sagte der Bauer, „auch ich hielt Euch für einen, der dem Geächteten auf das Leben lauern soll, darum kam ich ihm zu Hülfe, und hätte ich nicht Eure Stimme noch gehört, wer weiß, ob Ihr noch lange geatmet hättet. Wie kommt Ihr aber auch um Mitternacht hieher, und welches Unheil führt Euch gerade dem geächteten Mann in den Wurf. Wahrlich, Ihr dürft von Glück sagen, daß er Euch nicht in zwei Stücke gehauen, es leben wenige, die vor seinem Schwert standgehalten hätten. Ich vermute, die Liebe hat Euch da einen argen Streich gespielt!“

Georg erzählte seinem ehemaligen Führer, welche Nachrichten ihm im Hirsch in Pfullingen mitgeteilt worden seien. Namentlich berief er sich auf die Aussage der Amme, des Pfeifers Schwester, die ihm so höchst wahrscheinlich gelautet haben.

„Dacht’ ich’s doch, daß es so was sein müsse“, antwortete der Pfeifer. „Die Liebe hat manchem noch ärger mitgespielt, und ich weiß nicht, was ich in jungen Jahren in ähnlichem Fall gethan hätte. Daran ist aber wieder niemand schuld als meine Rosel, die alte Schwätzerin; was hat sie nötig, der Wirtin im Hirsch, die auch nichts bei sich behalten kann, zu beichten?“

„Es muß aber doch etwas Wahres an der Sache sein“, entgegnete Georg, in welchem das alte Mißtrauen hin und wieder aufblitzte. „So ganz ohne Grund konnte doch Frau Rosel nichts ersinnen!“

„Wahr? etwas Wahres müsse daran sein? allerdings ist alles wahr nach der Reihe; die Knechte werden zu Bett geschickt und [221] die alte Aufpasserin auch, um eilf Uhr kommt der Mann vor das Schloß, die Zugbrücke fällt herab, die Thore thun sich ihm auf, das Fräulein empfängt ihn und führt ihn in die Herrenstube –“

„Nun? siehst du“, rief Georg ungeduldig, „wenn dieses alles wahr ist, wie kann dann jener Mann schwören, daß er mit dem Fräulein –“

„Daß er mit dem Fräulein ganz und gar nichts wolle?“ antwortete der Pfeifer, „allerdings kann er das schwören; denn es ist nur ein Unterschied bei der ganzen Sache, den die Gans, die Rosel, freilich nicht gewußt hat, nämlich, daß der Ritter von Lichtenstein in der Herrenstube sitzt, das Fräulein aber sich entfernt, wenn sie ihre heimlich bereiteten Speisen aufgetragen hat. Der Alte bleibt bei dem geächteten Mann bis um den ersten Hahnenschrei, und wenn er gegessen und getrunken und die erstarrten Glieder am Feuer wieder erwärmt hat, verläßt er das Schloß, wie er es betreten.“

„O ich Thor! daß ich dies alles nicht früher ahnete. Wie nahe lag die Wahrheit, und wie weit ließ ich mich irre leiten. Aber verflucht sei die Neugierde und Lästersucht dieser Weiber, die in allem noch etwas ganz Besonderes zu sehen glauben, und denen das Unwahrscheinlichste und Grellste gerade das Liebste ist! – Aber sprich“, fuhr Georg nach einigem Nachsinnen fort, – „auffallend ist es mir doch, daß dieser geächtete Mann alle Nacht ins Schloß kömmt; in welch unwirtlicher Gegend wohnt er denn, wo er keine warme Kost, keinen Becher Weines und einen warmen Ofen findet? – Höre, wenn du mich dennoch belögest!“

Des Pfeifers Auge ruhte mit einem beinahe spöttischen Ausdruck auf dem jungen Mann. „Ein Junker wie Ihr“, antwortete er, „weiß freilich wenig, wie weh Verbannung thut; Ihr wißt es nicht, was es heißt, sich vor den Augen seiner Mörder verbergen, Ihr wißt nicht, wie schaurig sich’s in feuchten Höhlen, in unwirtlichen Schluchten wohnt, Ihr kennt die Wohlthat nicht, die ein warmer Bissen und ein feuriger Trunk dem gewährt, der bei den Eulen speist und bei dem Schuhu in der Miete ist; aber kommt, wenn es Euch gelüstet; der Morgen bricht noch nicht an,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 220–221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_133.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)