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ein trockenes, wohnlicheres Ansehen. Der Boden war mit Binsen und Stroh bestreut, eine Lampe, die an der Wand angebracht war, verbreitete ein hinreichendes Licht auf die Breite und den größten Teil der Länge dieser Grotte. Gegenüber saß jener Mann auf einem breiten Bärenfelle, neben ihm stand sein Schwert und ein Hüfthorn; ein alter Hut und der graue Mantel, mit welchem er sich verhüllt hatte, lagen am Boden. Er trug ein Wams von dunkelbraunem Leder und Beinkleider von grobem, blauem Tuche. Ein unscheinbarer Anzug, der aber seinen kräftigen Körperbau und seine feinen, edlen Züge nur noch mehr heraushob. Er mochte ungefähr vierunddreißig Jahre haben, und sein Gesicht war noch immer hübsch und angenehm zu nennen, obgleich die erste Blüte der Jugend von Gefahren und Strapazen abgestreift schien und der verwilderte Bart ihm zuweilen etwas Furchtbares verlieh; diese flüchtigen Bemerkungen drängten sich Georg auf, als er am Eingang der Grotte stillstand.

„Willkommen in meinem Palatium, Georg von Sturmfeder!“ rief der Bewohner der Höhle, indem er sich von dem Bärenfelle aufrichtete, dem Jüngling die Hand bot und ihm winkte, auf einem ebenso kunstlosen Sitz von Rehfellen sich niederzulassen. „Seid herzlich willkommen; es war kein übler Einfall unseres Spielmanns, Euch in diese Unterwelt herabzuführen und mir einen so angenehmen Gesellschafter zu bringen. Hans! du treue Seele, du warst bisher unser major domus, Truchseß und Kanzler, wir ernennen dich jetzt zu unserem Kellermeister und Obermundschenk; siehe, dort hinter jener Säule des schönsten Granit muß ein Krug stehen, worin sich noch ein Rest alten Weines befindet. Nimm meinen Jagdbecher von Buchsbaum, das einzige Tafelgeschirr, das wir jetzt führen, gieß ihn voll bis an den Rand und kredenze ihn unserm ehrenwerten Gast.“

Georg sah erstaunt auf den geächteten Mann. Er hatte nach dem Schicksal, das ihn betroffen, nach seinen unwirtlichen Umgebungen, zuletzt noch nach dem Klaggesang, den er gehört hatte, einen Mann erwartet, der zwar unbesiegt von den Stürmen des Lebens, aber ernst, vielleicht sogar finster in seinem Umgang sein werde; und er fand ihn heiter, unbesorgt, scherzend über seine [229] Lage, als habe ihn auf der Jagd ein Sturm überfallen und genötigt, eine kleine Weile in dieser Höhle Schutz gegen das Wetter zu suchen. Und doch war es ein schrecklicherer Sturm als der furchtbarste Orkan der Natur, der ihn aus der Burg seiner Väter vertrieb, und doch war er ja das gejagte Wild, das gegen die Geschosse der mordlustigen Jäger hier eine Zuflucht fand.

„Ihr schaut mich verwundert an, werter Gast“, sagte der Ritter, als Georg bald ihn, bald seine Umgebungen mit verwunderten Blicken maß, „vielleicht habt Ihr erwartet, daß ich Euch etwas Weniges vorjammern werde? Aber über was soll ich klagen? Mein Unglück kann in diesem Augenblick keiner wenden, darum ziemt es sich, daß man heitere Miene zum bösen Spiele macht. Und saget selbst, wohne ich hier nicht wie Fürsten selten wohnen. Habt Ihr meine Hallen gesehen und die weiten Säle meines Palastes? Glänzen nicht ihre Wände wie Silber? Wölben die Decken sich nicht wie aus Perlen und Diamanten zusammengesetzt? Werden sie nicht getragen von Säulen, die von Smaragden und Rubinen und allen Edelsteinen der Erde prangen? Doch hier kommt Hans, mein Obermundschenk, mit dem Weine; sprich mein Getreuer! ist das all unser Getränk, was in diesem Becher ist?“

„Wasser so klar als Kristall hat Eure Wohnung“, sprach der Pfeifer, der mit der heiteren Laune seines Gefährten schon vertraut war, „aber auch ein Restchen Wein, das wenigstens noch drei Becher füllt, ist im Krug und – nun wir haben ja heute einen Gast und können schon etwas draufgehen lassen – ich will es nur gestehen, ich habe heute nacht einen vollen Krug alten Uhlbacher hereingebracht, er steht bei dem andern.“

„Das hast du wohlgemacht“, rief der geächtete Ritter, und ein Strahl der Freude drang aus seinem glänzenden Auge; „glaubet nicht, Herr Georg, daß ich ein Schlemmer und Säufer bin; aber guter Wein ist ein edles Ding, und ich liebe es, in guter Gesellschaft den vollen Becher rundgehen zu lassen. Pflanze die Krüge nur hier auf, werter Kellermeister, wir wollen tafeln wie in den Tagen des Glückes. Ich bring’ es Euch, auf den alten Glanz des Hauses Sturmfeder!“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 228–229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_137.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)