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„Verzeihe mir nur diesmal“, bat er; „siehe, wenn ich dich nicht so lieb gehabt hätte, ich hätte gewiß nicht geglaubt; aber wenn du wüßtest, was Eifersucht ist!“

„Wer recht liebt, kann gar nicht eifersüchtig sein“, sagte Marie unmutig; „aber schon in Ulm hast du etwas Solches gesagt, und schon damals hat es mich recht tief betrübt. Aber du kennst mich gar nicht, wenn du mich recht gekannt hättest, wenn du mich geliebt hättest wie ich dich, wärest du nie auf solche Gedanken gekommen.“

„Nein! ungerecht mußt du doch nicht werden“, rief Georg und faßte ihre Hand; „wie kannst du mir vorwerfen, daß ich dich nicht liebe wie du mich? Hätte es denn nicht möglich sein können, daß ein Würdigerer als ich erschienen, daß der arme Georg durch irgend einen bösen Zauber aus deinem Herzen verdrängt worden wäre; es ist ja doch alles möglich auf der Erde!“

„Möglich?“ unterbrach ihn Marie, und jener Stolz, den Georg oft mit Lächeln an der Tochter des Ritters von Lichtenstein betrachtet hatte, schien sie allein zu beseelen. „Möglich? wenn Ihr nur einen Augenblick so Arges von mir für möglich gehalten hättet, ich wiederhole es, Herr von Sturmfeder! so habt Ihr mich nie geliebt; ein Mann muß sich nicht wie ein Rohr hin und her bewegen lassen, er muß feststehen auf seiner Meinung, und wenn er liebt, so muß er auch glauben.“

„Diesen Vorwurf habe ich von dir am wenigsten verdient“, sagte der junge Mann, indem er unmutig aufsprang; „wohl bin ich ein Rohr, das vom Winde hin und her bewegt wird, und mancher wird mich darum verachten. –“

„Es könnte sein!“ flüsterte sie, doch nicht so leise, daß es sein Ohr nicht erreichte und seinen Unmut zum Zorn anblies.

„Auch du wirst mich also darum verachten, und doch bist du es, was mich hin und her bewegt! Ich habe dich auf bündischer Seite gesucht, ich war selig, als ich dich dort fand. Du batest mich, davon abzulassen, ich ging; ich that noch mehr; ich kam zu euch herüber, es kostete mich beinahe das Leben, und doch ließ ich mich nicht abschrecken; ich ergriff Württembergs Partei, ich kam zu deinem Vater, er nahm mich wie einen Sohn auf und freute sich, [257] daß ich sein Freund geworden – aber seine Tochter schilt mich ein Rohr, das vom Winde hin und her bewegt wird! Aber noch einmal will ich mich – zum letztenmal – von dir bewegen lassen; ich will fort, weil du meine Liebe so vergiltst, noch in dieser Stunde will ich fort!“

Er gürtete unter den letzten Worten sein Schwert um, ergriff sein Barett und wandte sich zur Thüre.

„Georg!“ rief Marie mit den süßesten Tönen der Liebe, indem sie aufsprang und seine Hand faßte; ihr Stolz, ihr Zorn, jede Wolke des Unmuts war verschwunden, selbst die Thränen hemmten ihren Lauf, und nur bittende Liebe blickte aus ihrem Auge, „um Gotteswillen, Georg! ich meinte es nicht so böse; bleibe bei mir, siehe, ich will alles vergessen, ich schäme mich, daß ich nur so unwillig werden konnte.“

Aber der Zorn des jungen Mannes war nicht so schnell zu besänftigen, er sah weg, um nicht durch ihre Blicke, durch ihr bittendes Lächeln gewonnen zu werden, denn sein Entschluß stand fest, das Schloß zu verlassen. „Nein!“ rief er, „du sollst das Rohr nicht mehr zurückwenden. Aber deinem Vater kannst du sagen, wie du seinen Gast aus seinem Hause vertrieben hast;“ die runden Fensterscheiben zitterten vor seiner Stimme, sein Auge blickte wild umher, er entriß seine Hand der Geliebten, gefolgt von ihr schritt er fort, er riß die Thüre auf, um auf ewig zu fliehen, als ihn auf der Schwelle eine Erscheinung fesselte, die wir im nächsten Kapitel näher beschreiben werden.





IX.


 „Herrengunst, Aprilenwetter,
 Frauenlieb’ und Rosenblätter,
 Würfel, Karten, Federspiel,
 Verkehren sich oft, wer’s glauben will.“
 Altes Sprichwort.


Als Georg die Thüre öffnete, richtete sich aus einer sehr gebückten Stellung die hagere, knöcherne Gestalt der Frau Rosel auf. Es war dies eine jener alten Dienerinnen, die, wenn sie von früher

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 256–257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_151.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)