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Solchen Rat pflog mit sich selbst Frau Rosel vor der Küche; die Liebenden aber, denen diese Beratung galt, hatten sich nach ihrem Abzug bald wieder gefunden. Georg vermochte nicht den bittenden Blicken Mariens zu widerstehen; und als sie mit den süßesten Tönen der Liebe ihn fragte, ob er ihr wieder gut sei, da vermochte er nicht nein zu sagen, und der Friede war, was selten der Fall ist, in kürzerer Zeit wieder geschlossen, als die Fehde begonnen hatte.

Mit hohem Interesse hörte Marie auf Georgs fernere Erzählung, und es gehörte der feste Glaube des jungen Mannes an die Geliebte und sein Vertrauen in das Wort des Geächteten dazu, um nicht von neuem außer Fassung zu kommen. Denn als er beschrieb, wie er auf den Ritter getroffen und sich mit ihm geschlagen habe, da errötete sie, sie richtete sich stolzer auf und drückte die Hand des Geliebten, sie gestand ihm, daß er einen wichtigen Kampf bestanden habe, denn jener Mann sei ein tapferer Kämpe. Und als er erzählte, wie sie hinabgestiegen in die Nebelhöhle, wie sie den Geächteten besuchten, wie er tief unter der Erde in ärmlicher Umgebung doch so groß und erhaben geschienen, da stürzten Thränen aus ihren Augen, sie blickte hinauf zum Himmel, als bete sie im stillen, er möchte das traurige Geschick dieses Mannes wenden, und als er fortfuhr und sagte, was sie gesprochen, und wie der Mann der Höhle sich seinen Freund genannt, wie er sich zu Württembergs Sache, zu der Sache der Unterdrückten und Vertriebenen mit Wort und Handschlag verpflichtet habe, da strahlte Mariens Auge von wunderbarem Glanze, sie sah Georg lange an, er glaubte eine Begeisterung in ihrem Auge, in ihren Zügen zu lesen, die nicht die Freude, daß er ihres Vaters Partie ergriffen habe, allein vorbrachte.

„Georg!“ sagte sie, „es werden viele sein, die dich einst um diese Nacht beneiden werden. Du darfst es dir auch zur Ehre rechnen, denn glaube mir, nicht jeden hätte Hans zu dem Vertriebenen geführt.“

„Du kennst ihn“, erwiderte Georg, „du weißt um sein Geheimnis? O sag mir doch, wer ist er? Ich habe selten einen Mann gesehen, dessen Auge, dessen Miene, dessen ganzes Wesen mich so [265] beherrscht hätte wie dieser. Wo lagen seine Besitzungen, wo ist das Schloß, aus dem er vertrieben ist? Er sagt, er wolle jetzt keinen andern Namen haben als ‚der Mann‘, aber sein Arm, dessen Stärke ich gefühlt, sein heller Blick verbürgte mir, daß er einst einen berühmten Namen in der Welt gehabt haben müsse.“

„Er hatte einen Namen“, antwortete Marie, „einen, der sich mit den besten messen konnte. Aber wenn er dir ihn nicht selbst gesagt hat, so darf ich ihn auch nicht nennen; das wäre gegen mein Wort, das ich darauf gegeben. Herr Georg muß sich also schon noch gedulden“, setzte sie lächelnd hinzu, „so hart es ihn auch ankommt, denn er ist ein neugieriger Herr.“

„Mir kannst du es ja doch sagen“, unterbrach sie Georg; „sind wir nicht eins? Darf das eine ein Geheimnis haben, ohne daß es der andere Teil wissen muß? Schnell! antworte, wer ist der Mann in der Höhle?“

„Werde nicht böse, siehe, wenn es nur mein Geheimnis wäre, so müßtest du es auch wissen und könntest es mit Recht verlangen, aber so – ich weiß zwar, daß es bei dir so sicher wäre als bei mir, aber ich darf nicht.“

Sie sprach noch, als die Thüre aufsprang und eine Dogge von ungeheurer Größe hereinstürzte.[Hauff 1] Georg fuhr unwillkürlich auf, denn einen Hund von solcher Größe und Stärke hatte er nie gesehen. Der Hund stellte sich ihm gegenüber, schaute ihn mit rollenden Augen an und fing an zu murren. Es tönte aus seiner breiten Brust herauf dumpf und hohl wie ein nahender Sturm und die wohlgeordnete Reihe scharfer Zähne, die er vorwies, zeigten ihn als einen Kämpfer, dessen Zorn man nicht reizen dürfe. Ein Wort von Marie reichte hin, ihn ruhig und besänftigt zu ihren Füßen zu legen. Sie streichelte seinen schönen Kopf, aus welchem die klugen Augen noch immer bald nach ihr, bald nach dem Junker spähten: „Er hat Menschenverstand!“ sagte sie lächelnd. „Er kommt, um mich zu warnen, daß ich den Mann in der Höhle nicht verraten soll.“

„Ein herrlicher Hund, wie ich nie einen gesehen! wie er den Kopf so stolz aus dem goldenen Halshand hervorträgt, als gehöre er einem Kaiser oder König!“

Anmerkungen (Hauff)

  1. [299] Diesen merkwürdigen Hund beschreibt Tethinger als einen Liebling Ulerichs ausführlich. A. a. O., S. 1, 58.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 264–265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_155.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)