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gibt? Ihr wißt, der Alte thut, was ich haben will, und wenn ich ihm einen Schwiegersohn empfehle, nimmt er ihn unbesehen.“

Marie schlug die schönen Augen auf und sah ihn mit freundlichen Blicken an. „Gnädigster Herr“, antwortete sie, „ich will es Euch nicht wehren, wenn Ihr für Georg ein gutes Wort sprechet; übrigens ist ihm der Vater schon sehr gewogen.“

„Ich frage, was ich für ein gutes Wort bekomme, alles hat seinen Preis; nun, was wird mir dafür?“

Marie schlug die Augen nieder. „Ein schöner Dank“, sagte sie; „aber kommt, Herr, der Vater wird schon längst auf uns warten.“

Sie wollte vorangehen, der Geächtete aber ergriff ihre Hand und hielt sie auf. Georgs Herz pochte beinahe hörbar, es wurde ihm bald heiß, bald kalt, er faßte den Thorflügel und wäre nahe daran gewesen, diese Fürsprache um einen fixen Preis zu verbitten.

„Warum so eilig?“ hörte er den Mann der Höhle sagen; „nun, sei es um ein Küßchen, so will ich loben und preisen, daß dein Vater sogleich den Pfaffen holen läßt, um das heilige Sakrament der Ehe an euch zu vollziehen.“ Er senkte sein Haupt gegen Marie herab, Georg schwindelte es vor den Augen, er war im Begriff, aus seinem Hinterhalt hervorzubrechen. Das Fräulein aber sah jenen Mann mit einem strafenden Blicke an. „Das kann unmöglich Euer Gnaden Ernst sein“, sagte sie, „sonst hättet Ihr mich zum letztenmal gesehen.“

„Wenn Ihr wüßtet, wie erhaben und schön Euch dieser Trotz steht“, sagte der Ritter mit unerschütterlicher Freundlichkeit, „Ihr ginget den ganzen Tag im Zorn und in der Wut umher. Übrigens habt Ihr recht, wenn man schon einen andern so tief im Herzen hat, darf man keine solche Gunst mehr ausspenden. Aber feurige Kohlen will ich auf Euer Haupt sammeln, ich will dennoch den Fürsprecher machen. Und an Eurem Hochzeittag will ich bei Eurem Liebsten um einen Kuß anhalten, dann wollen wir sehen, wer recht behält.“

„Das könnet Ihr!“ sagte Marie, indem sie ihm lächelnd ihre Hand entzog und mit dem Licht voranging; „aber machet Euch immer auf eine abschlägige Antwort gefaßt, denn über diesen Punkt spaßt er nicht gerne.“

[275] „Ja, er ist verdammt eifersüchtig“, entgegnete der Ritter im Weiterschreiten; „ich könnte Euch davon eine Geschichte erzählen, die mir selbst mit ihm begegnet ist; aber ich habe versprochen, zu schweigen.“

Ihre Stimmen entfernten sich immer mehr und wurden undeutlicher. Georg schöpfte wieder freier Atem. Er lauschte und harrte noch in seiner Nische, bis er niemand mehr auf den Treppen und Gängen hörte. Dann verließ er seinen Platz und schlich nach seiner Kammer zurück. Die letzten Worte Mariens und des Geächteten lagen noch in seinen Ohren. Er schämte sich seiner Eifersucht, die ihn auch in dieser Nacht wieder unwillkürlich hingerissen hatte. Wenn er bedachte, in welch unwürdigem Verdacht er die Geliebte gehabt und wie rein sie in diesem Augenblick vor ihm gestanden sei! Er verbarg sein errötendes Gesicht tief in den Kissen, und erst spät entführte ihn der Schlummer diesen quälenden Gedanken.

Als er am andern Morgen in die Herrenstube hinabging, wo sich um sieben Uhr gewöhnlich die Familie zum Frühstück versammelte, kam ihm Marie mit verweinten Augen entgegen. Sie führte ihn auf die Seite und flüsterte ihm zu: „Tritt leise ein, Georg! der Ritter aus der Höhle ist im Zimmer; er ist vor einer Stunde ein wenig eingeschlummert; wir wollen ihm diese Ruhe gönnen!“

„Der Geächtete?“ fragte Georg staunend, „wie kann er es wagen, noch bei Tag hier zu sein? Ist er krank geworden?“

„Nein!“ antwortete Marie, indem von neuem Thränen in ihren Wimpern hingen; „nein! es muß in dieser Stunde noch ein Bote von Tübingen anlangen und diesen will er erwarten. Wir haben ihn gebeten, beschworen, er möchte doch vor Tag hinabgehen, er hat nicht darauf gehört; hier will er ihn erwarten.“

„Aber könnte denn der Bote nicht auch in die Höhle hinabkommen?“ warf Georg ein, „er setzt sich ja umsonst dieser Gefahr aus.“

„Ach, du kennst ihn nicht, das ist sein Trotz, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, so geht er nicht mehr davon

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 274–275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_160.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)