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konnten wir denn wissen, wen wir da neben unz haben? Zeit vielmal gegrüßet, hab’ schon oft, Gott straf’ mein’ Zel’, gedachte, möchte nur einmal den fürtrefflichen Kerl zehen, den Pfeifer von Hardt, der in Ulm am hellen Tag alz Spatz auzgeflogen.“

„Ist schon gut“, unterbrach ihn der Spielmann unmutig; „lasset die alten Geschichten ruhen. Nun, von wegen des Herzogs kam mir die Nachricht zu, ich soll euch Herren auf den heutigen Tag aufsuchen, und wenn ihr noch geneigt wäret, mit ihm zu ziehen, so wolle er gerne zahlen, was ihr ihm vorgeschlagen.“

Canto cacramento! daz ist ein frommer Herr! ein Goldgülden dez Monats und täglich vier Maaz Wein! Er zoll leben!“

„Und wann wird er kommen?“ fragte der Hauptmann Löffler; „wo werden wir zu ihm stoßen?“

„Wenn kein Unglück geschehen ist, heute noch. Heute ist er auf Heimsheim losgebrochen, die Besatzung ist schwach, wenn er sie überwältigt hat, rückt er heute noch weiter.“

„Schaut! reitet dort unten nicht ein Geharnischter? Sieht aus wie ein Ritter!“ Die Männer sahen aufmerksam nach dem Ende des Thales; dort sah man einen Helm und Harnisch in der Sonne blinken, auch ein Pferd wurde hie und da sichtbar. Der Pfeifer von Hardt sprang auf und klimmte auf die Eiche hinan; von diesem hohen Standpunkt konnte er das Thal besser übersehen; noch war der Reiter zu fern, als daß er seine Züge hätte unterscheiden können, aber er glaubte seine Feldbinde zu erkennen, er glaubte den Mann zu erkennen, den er in dieser Stunde erwartete.

„Was siehst du?“ riefen die Hauptleute, „ist es einer, der zufällig durchs Thal reitet, oder glaubst du, er kommt vom Herzog?“

„Richtig, weiß und blau ist die Schärpe“, sprach der Pfeifer; „das ist sein langes Haar, so sitzt er zu Pferd, ei, du Goldjunge, willkommen in Württemberg! Jetzt sieht er eure Wachen, jetzt reitet er auf sie zu, schau, wie die Bursche ihre Lanzen vorstrecken und die Beine ausspreizen!“

„Ja, was Landsknechte sind, die verstehen den Kriegsbrauch; darf keiner vorbei, wo die Hauptleute liegen, ohne daß er Rede steht.“

[311] „Halt! jetzt rufen sie ihn an; er spricht mit ihnen, sie deuten hieher; er kommt!“ Der Pfeifer von Hardt stieg mit freudeglühendem Gesicht vom Baum herab.

Diavolo maledetto![1] bassa marendete![2] Zie werden ihn doch nicht allein reiten lassen? ez wird doch einer zein Roß am Zügel führen nach Kriegesbrauch! Wie? Ist ez ein Ritter, der kommt?“

„Ein Edelmann, so gut wie einer im Reich“, antwortete der Pfeifer, „und der Herzog ist ihm sehr gewogen.“ Bei dieser Nachricht standen die Hauptleute auf, denn, ob sie sich gleich nicht wenig einbildeten, Hauptleute zu heißen, so wußten sie doch, daß sie eigentlich nur Landsknechte und dem Ritter jedes Zeichen von Ehrerbietung schuldig seien. Der Oberst aber setzte sich gravitätisch am Fuß der Eiche nieder, strich den Bart, daß er hell glänzte, setzte den großen Hut mit der Hahnenfeder zurecht, stützte sich auf seinen großen Hieber und erwartete so den Ritter.





II.


 „Der Herzog ist gekommen,
 Er liegt nicht weit im Feld;
 Er hat’s dem Feind genommen,
 Er bringt ’nen Sack mit Geld.“
 G. Schwab.[3]


Dem Platze, wo die Hauptleute und der lange Peter, ihr Oberst, versammelt waren, nahte sich jetzt ein geharnischter Reiter, dessen Pferd von zwei Landsknechten geführt wurde. Der Ritter hatte das Visier seines blanken Helmes herabgeschlagen, die breiten Schultern und die kräftigen Lenden und Beine waren mit Platten und Schienen von Stahl verhüllt, aber die wallenden Federn seines Helmbusches und die wohlbekannten Farben einer Schärpe, die über den Panzer herablief, die Haltung und das edle, kräftige


  1. (Ital.) d. h. „verfluchter Teufel!“
  2. Ein äußerst derber Fluch (entstelltes Ungarisch).
  3. Anfang der 21. Romanze „Aus dem Jugendleben des Herzogs Christoph von Wirtemberg“.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 310–311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)