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für unübertrefflich hielten und den gottlosen Spott ihrer Enkel über Zopf- und Gamaschendienst nicht ahneten. Und wird nicht eine Zeit kommen, wo man auch über die guten alten Zeiten von 1829 lächeln wird. Freilich, so schlanke Taillen wie heutzutage sah man bei den Landsknechten und ihren Hauptleuten Anno 1519 nicht. Doch hätten jene martialischen Figuren einem ganzen heutigen Heere mit Normalbärten aushelfen können.

Etwa nach einer Stunde meldeten die Vorposten, daß man unten im Thale, von der Gegend von Heimsheim her, Waffen blinken sehe, und wenn man das Ohr auf die Erde lege, seien die Tritte vieler Rosse deutlich zu vernehmen.

„Das ist der Herzog“, rief Georg, „führt mein Pferd vor, ich will ihm entgegenreiten.“

Der junge Mann galoppierte durch das Thal hin, und die Hauptleute und ihre Gesellen blickten ihm nach und bewunderten die Kraft und Gewandtheit, mit welcher er in der schweren Rüstung aufs Pferd gesprungen war, lobten seinen Anstand und seine Haltung, solange sie ihn noch sehen konnten. Bald mischte sich sein Helmbusch mit den Büschen und Lanzenspitzen, die man unten im Thal bemerkte. Sie kamen näher, jetzt sah man Helme blinken, jetzt wurden die Reiter bis um die Brust sichtbar, jetzt erschienen sie auf einmal auf einer kleinen Anhöhe und man konnte die ganze Schar übersehen. Der Pfeifer von Hardt schaute mit blitzenden Augen in die Ferne. Seine Brust hob und senkte sich, die Freude schien ihn des Atems zu berauben, sprachlos nahm er den Obersten an der Hand und deutete auf die Reiterschar.

„Welcher ist der Herzog“, fragte dieser, „ist’z der auf dem Mohrenschimmel?“

„Nein, das ist der edle Herr von Hewen; seht Ihr das Banner von Württemberg? Wie, seh’ ich recht? Bei Gott, der Junker von Sturmfeder darf es tragen!“

„Daz ist eine große Ehr’! Mordblei, ist erst fünfundzwanzig und darf die Fahne tragen! In Frankreich darf das nur der Connetable[1] thun, der erste Mann nach dem König Franz. Dort [319] heißt man’z Ohrenflamme und ist aus lauter Gold. Aber welcher ist der Herzog Ulerich?“

„Seht Ihr den im grünen Mantel mit den schwarz und roten Federn auf dem Helm? Er reitet neben dem Banner und spricht mit dem Junker, er reitet einen Rappen und zeigt gerade mit dem Finger auf uns – seht, das ist der Herzog.“

Die Reiterschar mochte ungefähr vierzig Pferde betragen; sie bestand meist aus Edelleuten und ihren Dienern, die dem Herzog in seine Verbannung nachgezogen waren oder, von seinem Einfall benachrichtigt, an der Grenze seines Landes sich an ihn angeschlossen hatten. Sie waren alle wohlberitten und bewaffnet. Georg von Sturmfeder trug Württembergs Panier, neben ihm ritt ganz geharnischt der Herzog. Als dieser Zug jetzt den Landsknechten etwa auf zweihundert Schritte nahe war, erhob der lange Peter seine Stimme und sprach: „Gebt acht, ihr Leut’. Wann Zeine Durchlaucht nahe ist und ich meinen Hut vom Scheitel reiße, zo schreiet: ‚Vivat Ulericus!‘ schwenket die Fähnlein in der Luft; und ihr Trommler, rasselt auf euren Fellen, daß euch das Donnerwetter! schlagt den Wirbel wie beim Sturm auf eine Festung, Bassa manelka, haut drauf und wenn der Schlegel bricht – zo begrüßen die tapfern Landsknecht’ einen Fürsten.“

Diese kurze Anrede that ihre vollkommene Wirkung; die kriegerische Schar murmelte das Lob des Herzogs, sie schüttelten ihre Hellebarden, stampften ihre Büchsen klirrend auf den Boden, und die Trommler faßten ihre Schlegel krampfhaft in die Hand, und als jetzt Georg von Sturmfeder, der Bannerträger von Württemberg, ansprengte und hinter ihm hoch zu Roß, erhaben wie in den Tagen seiner Herrschaft, mit kühnen, gebietenden Blicken Herzog Ulerich von Württemberg sich zeigte, da entblößte der lange Peter ehrfurchtsvoll sein Haupt, die Trommeln rasselten wie zum Sturm einer Feste, die Fähnlein neigten sich zum Gruß, und die Landsknechte riefen ein tausendstimmiges „Vivat Ulericus!“

Der Bauersmann von Hardt war still in der Ferne gestanden,


  1. Der Connetable (aus dem mittellatein. comes stabuli, d. h. Stallmeister) [319] bekleidete in Frankreich die höchste Reichswürde und war oberster Befehlshaber des Heeres. Er trug die sogenannte Oriflamme, die Kriegsfahne der französischen Könige.
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 318–319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_182.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)