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Dieser Mann war es, der an Georg von Sturmfeder mit süßem Lächeln hinaufsah und, da ihn dieser noch immer anstarrte, zu sprechen fortfuhr: „Ihr kennet mich vielleicht nicht, wertgeschätzter junger Freund, ich bin aber Ambrosius Volland, Seiner Durchlaucht Kanzler. Ich komme, um Euch einen guten Morgen zu wünschen.“

„Ich danke Euch, Herr Kanzler; viele Ehre für mich, wenn Ihr Euch deswegen herbemühtet.“

„Ehre, wem Ehre gebühret! Ihr seid ja der Ausbund und die Krone unserer jungen Ritterschaft! Ja! wer meinem Herrn so treu beigestanden ist in aller Not und Fährlichkeit, der hat Anspruch auf meinen innigsten Dank und meine absonderliche Verehrung!“

„Ihr hättet das wohlfeiler haben können, wenn Ihr mitgezogen wäret nach Mömpelgard“, erwiderte Georg, den die Lobsprüche dieses Mannes beleidigten. „Treue muß man nie loben, eher Untreue schelten.“

Einen Augenblick blitzte ein Strahl des Zornes aus den grünen Augen des Kanzlers, aber er faßte sich schnell wieder zur alten Freundlichkeit. „Jawohl, das mein’ ich auch! Was mich betrifft, so lag ich am Zipperlein hart darnieder und konnte also nicht wohl nach Mömpelgard reisen; werde aber jetzt mit meinem kleinen Licht, das mir der Himmel verliehen, dem Herrn desto thätlicher zur Hand gehen.“

Er hielt einen Augenblick inne und schien Antwort zu erwarten; aber der Jüngling schwieg und maß ihn nur hin und wieder mit einem Blick, den er nicht recht ertragen konnte. „Nun, Euch wird die Freude erst recht angehen. Der Herzog hält erstaunlich viel auf Euch! Natürlich, Ihr verdient es auch im höchsten Grad, und der Herzog hat seinen Liebling gut gewählt. Wollet doch erlauben, daß Ambrosius Volland Euch auch eine kleine Erkenntlichkeit zeige. Seid Ihr Freund von schönen Waffen? Kommet in meine Behausung auf dem Markt, wählet Euch aus meiner Armatur, was Euch beliebt. Vielleicht dienen Euch schöne Bücher, habe einen ganzen Kasten voll; wählet Euch aus, was Ihr wollet, wie es unter Freunden gebräuchlich. Esset auch [337] zuweilen bei mir zu Mittag, meine Base, ein feines Kind von siebzehn Jahren, hält mir Haus; sehet ihr nur, hi, hi, hi – sehet ihr nur nicht zu tief in die Augen.“

„Seid ohne Sorgen, bin schon versehen.“

„So? ei das ist recht christlich gedacht; das muß ich loben; man trifft solchen wackern Sinn nicht immer unter unserer heutigen Jugend. Ich sagte es ja gleich; der Sturmfeder, das ist ein Ausbund von Tugenden. Nun, was ich noch sagen wollte, wir sind bis jetzt so zusammen die einzigen von des Herzogs Hofstaat, stehen wir zusammen, so werden nur Leute aufgenommen, die wir wollen. Verstehet mich schon, hi, hi, eine Hand wäscht die andere. Darüber läßt sich noch sprechen; Ihr beehret mich doch zuweilen mit einem Besuche?“

„Wenn es meine Zeit erlauben wird, Herr Kanzler.“

„Würde mich gerne noch länger bei Euch aufhalten, denn in Eurer Gegenwart ist mir ganz wohl ums Herz; muß aber jetzt zum Herrn. Er will heute früh Gericht halten über die zwei Gefangenen, die gestern nacht das Volk aufwiegeln wollten. Wird was geben, der Beltle ist schon bestellt.“

„Der Beltle?“ fragte Georg, „wer ist er?“

„Das ist der Scharfrichter, wertgeschätzter, junger Freund.“

„Ich bitte Euch! Der Herzog wird doch nicht den ersten Tag seiner neuen Regierung mit Blut beflecken wollen!“

Der Kanzler lächelte greulich und antwortete: „Was das wieder Eurem fürtrefflichen Herzen Ehre macht; aber zum Blutrichter taugt Ihr nicht. Man muß ein Exempel statuieren. Der eine“, fuhr er mit zarter Stimme fort, „der eine wird geköpft, weil er von Adel ist, der andere wird gehängt. Behüt’ Euch Gott, Lieber!“

So sprach der Kanzler Ambrosius Volland und ging mit leisen Schritten die Galerie entlang den Gemächern des Herzogs zu. Georg sah ihm mit düsteren Blicken nach. Er hatte gehört, daß dieser Mann früher durch seine Klugheit, vielleicht auch durch unerlaubte Künste großen Einfluß auf Ulerich gewonnen hatte; er hatte den Herzog selbst oft mit großer Achtung von der Staatsklugheit dieses Mannes sprechen gehört; aber er wußte nicht

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 336–337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_191.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)