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Mit diesen Worten eilte der Jüngling den Korridor entlang zu den Gemächern des Herzogs. Er war in Mömpelgard zu allen Tageszeiten zum Herzog gegangen, daher machten ihm auch jetzt die Thürhüter ehrerbietig Platz. Er trat hastig in das Gemach; der Herzog sah ihn verwundert und etwas unwillig an, der Kanzler aber hatte das ewige süße Lächeln wie eine Larve vorgehängt.

„Guten Morgen, Sturmfeder!“ rief der Herzog, der in einem grünen, goldgestickten Kleide, den grünen Jagdhut auf dem Kopf, am Tisch saß, „hast du gut geschlafen in meinem Schlosse? Was führt dich schon so früh zu uns? Wir sind beschäftigt.“

Die Augen des jungen Mannes hatten indessen unruhig im Zimmer umhergestreift und den Schreiber des Ulmer Rats in einer Ecke gefunden. Er war blaß wie der Tod, sein sonst so zierliches Haar hing in Verwirrung herab, und ein rosenfarbenes Mäntelein, das er über ein schwarzes Kleid trug, war in Fetzen zerrissen. Er warf einen rührenden Blick auf den Junker Georg und sah dann auf zum Himmel, als wollte er sagen: „Mit mir ist’s aus!“ Neben ihm standen noch einige Männer und auch ein langer, hagerer Mann, den er schon gesehen zu haben sich erinnerte. Die Gefangenen wurden von Petrus, dem tapfern Magdeburger und dem Kasperl aus Wien bewacht. Sie standen mit ausgespreizten Beinen, die Hellebarden auf den[WS 1] Boden gestemmt, kerzengerade auf ihrem Posten.

„Ich sag’, wir haben zu thun“, fuhr der Herzog fort; „was schaust du nur immer nach dem rosenfarbenen Menschenkind; das ist ein verstockter Sünder; das Schwert wird schon für ihn gewetzt.“

„Euer Durchlaucht erlauben mir nur ein Wort“, entgegnete Georg. „Ich kenne jenen Mann und wollte mich mit Hab’ und Gut für ihn verbürgen, daß er ein friedlicher Mann ist und gewiß kein Verbrecher, der den Tod verdiente.“

„Bei Sankt Hubertus, das ist kühn! Die Natur hat sich geändert. Mein Kanzler, der treffliche Jurist, hat sich aufgeputzt wie ein junger Krieger, und mein junger Krieger dort will den Advokaten machen! Was sagt Ihr dazu, Ambrosius Volland?“

[341] „Hi, hi! ich habe Euer Durchlaucht durch meine Person Spaß machen wollen; weiß aus früherer Zeit, daß Ihr einen kleinen Scherz liebet; nun, der liebe, gute Sturmfeder will die Lustbarkeit vermehren und den Juristen spielen. Hi, hi, hi! wird ihm aber nichts helfen, dem Rosenfarbenen. Majestätsverbrechen! wird halt doch geköpft, der im Mäntelein.“

„Herr Kanzler!“ rief der Jüngling vor Unmut glühend. „Der Herr Herzog wird mir bezeugen können, daß ich mich nie zum Schalksnarren hergegeben habe. Diese Rolle mache ich andern nicht streitig. Und mit Menschenleben spiele und scherze ich nie! Es ist mein wahrer Ernst; ich verbürge mich mit meinem Leben für gegenwärtigen Edlen von Kraft, Ratsschreiber in Ulm. Ich hoffe, meine Bürgschaft kann angenommen werden.“

„Wie?“ sagte Ulerich, „das ist wohl der zierliche Herr, dein Gastfreund, von dem du mir so oft erzähltest? Thut mir leid um ihn, aber er wurde in einem Aufruhr unter sehr gefährlichen Umständen gefangen!“

„Freilich!“ krächzte Ambrosius, „ein crimen laesae majestatis!

„Erlaubet, Herr! ich habe die Rechte lange genug studiert, um zu wissen, daß hier durchaus nicht von einem solchen Verbrechen die Rede sein kann. Gestern nacht waren die Bundesräte und der Statthalter noch hier; folglich war Stuttgart noch in Gewalt des Bundes, und der Ratsschreiber, der durchaus kein Unterthan Seiner Durchlaucht ist, hat nicht anders gehandelt als jeder bündische Soldat, der auf Befehl seines Oberen gegen uns zu Felde zog.“

„Ei, die Jugend, die Jugend! wie Ihr alles überhaspelt, junger, sehr wertgeschätzter Freund! Sobald der Herzog die Stadt aufgefordert hatte und den animam possidendi hatte, war auch alles, was in den Mauern sich befand, sein. Folglich wer eine Verschwörung gegen ihn anzettelte, ist ein Majestätsverbrecher. Besagter Herr von Kraft aber hat schrecklich gefährliche Reden an das Volk gehalten.“

„Nicht möglich; es wäre ganz gegen seine Art und Weise! Herr Herzog! das kann nicht sein!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: dem
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 340–341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_193.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)