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in der Hand; jetzt noch seid Ihr Herr und Meister. Drum fort mit dem alten Recht, hier ist ein neues – da, nehmt in Gottes Namen die Feder, unterzeichnet.“

Der Herzog stand noch eine Weile unschlüssig, seine Wangen glühten, seine ganze Gestalt richtete sich höher auf, aber sein Auge haftete noch am Boden. Jetzt schlug er es auf, und es blitzte vom[WS 1] Gefühl seiner Würde. „Ich heiße Württemberg“, sagte er. „Ich bin das Land und das Gesetz, – ich unterschreibe.“ Er streckte die Rechte aus, die Schwanenfeder aus der Hand seines Kanzlers zu empfangen, aber mit sanfter Gewalt wurde sein Arm von einer fremden Hand ergriffen und weggezogen. Erstaunt sah er sich um und blickte in die ruhigen, aber ernsten Züge des Ritters von Lichtenstein.

„Ha! willkommen“, rief er, „mein getreuer Lichtenstein; sogleich steh’ ich Euch Rede, lasset mich nur zuvor dies Pergament unterzeichnen.“

„Erlauben Euer Durchlaucht“, sagte der alte Mann, „Ihr habt mir eine Stimme zugesagt in Eurem Rat, darf ich nicht auch wissen um die erste Verordnung, die Ihr an Euer Land ergehen lasset.“

„Mit Euer Hochedeln Erlaubnis“, fiel Ambrosius Volland hastig ein, „das Ding hat Eile; die Bürgerschaft von Stuttgart versammelt sich schon auf der Wiese; diese Schrift muß ihr vorgelesen werden; es hat wahrhaftig Eile.“

„Nun, Ambrosius!“ sagte der Herzog, „so gar eilig ist es nicht, daß wir unserem alten Freund die Sache nicht mitteilen sollten. Wir haben nämlich beschlossen, uns huldigen zu lassen, und zwar nach neuen Verträgen und Gesetzen. Die alten sind null und nichtig.“

„Das habt Ihr beschlossen? Um Gotteswillen, habt Ihr auch bedacht, zu was dies führt? Habt Ihr nicht erst vor wenigen Tagen den Tübinger Vertrag beschworen?“

„Tübingen!“ rief der Herzog mit schrecklicher Stimme, indem seine Augen von Zorn glühten. „Tübingen! nenne dies Wort nicht mehr! Dort hatte ich all meine Hoffnung, dort war mein Land, meine Kinder, ha, und dort haben sie mich verraten und [353] verkauft. Ich bat, ich flehte, sie sollen zu mir halten, ich wolle Gut und Blut mit ihnen teilen – nichts! Man wollte von Ulerich nichts mehr; das neue Regiment gefiel ihnen besser, im Elend haben sie mich schmachten lassen, haben zugegeben, daß ihr Herzog in Verbannung war, haben geduldet, daß der Name Württemberg ein Hohngelächter wurde in allen Reichen – jetzt bin ich wieder Herr und Meister, habe das Heft in der Hand und will mir’s nicht wieder aus der Hand wenden lassen. Haben sie ihren Eid vergessen, bei Sankt Hubertus, so ist mein Gedächtnis auch nicht länger. Tübinger Vertrag? Ich sag’, der Teufel soll alles holen, was mit diesem Namen sich verknüpft!“

„Aber bedenken Euer Durchlaucht!“ sprach Lichtenstein, von diesem Ausbruch der Leidenschaft erschüttert, „bedenket doch, welchen Eindruck ein solcher Schritt auf das Land machen muß. Noch habt Ihr nichts als Stuttgart und die Gegend; noch liegen in Urach, Asperg, Tübingen, Göppingen überall noch bündische Besatzungen. Wird die Landschaft Euch beistehen, den Bund zu verjagen, wenn sie hört, auf welche neue Ordnung sie huldigen solle?“

„Ich sag’: Ist mir die Landschaft beigestanden, als ich Württemberg mit dem Rücken ansehen mußte? Sie haben mich laufen lassen und dem Bund gehuldigt!“

„Vergebt mir, Herr Herzog“, entgegnete der Alte mit bewegter Stimme, „dem ist nicht also. Ich weiß noch wohl den Tag bei Blaubeuren. Wer hielt da zu Euch, als die Schweizer abzogen? Wer bat Euch, nicht vom Land zu lassen? Wer wollte Euch sein Leben opfern? Das waren achttausend Württemberger. Habt Ihr den Tag vergessen.“

„Ei, ei, Wertester!“ sagte der Kanzler, dem es nicht entging, welchen mächtigen Eindruck diese Worte auf Ulerich machten. „Ei! Ihr sprechet doch auch etwas zu kühnlich. Ist übrigens jetzt auch gar nicht die Rede von damals, sondern von jetzt. Die Landschaft ist von der alten Huldigung gänzlich abgekommen, hat dem Bunde eine andere Huldigung gethan; Seine Durchlaucht ist jetzt als ein neuangekommener Herr anzusehen, er hat dies Land mit Gewalt erobert; hat sich nun der Bund auf besondere Verträge huldigen lassen, so kann es der Herzog ebenso

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 352–353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_199.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)