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Fürstenmantel von purpurrotem Samt, mit Hermelin verbrämt. Sie reichten ihm den Hut, der die rot und gelbe Farbe des Hauses Württemberg in reichen wehenden Federn zeigte, diese wurden zusammengehalten von einer Agraffe aus Gold und Edelsteinen, die eine Grafschaft wert war. Der Herzog bedeckte sein Haupt mit diesem Hut. Seine kräftige Gestalt schien in diesem fürstlichen Schmuck noch erhabener als zuvor, und die freie, majestätische Stirne, das glänzende Auge sahe gebietend unter den wallenden Federn hervor. Er ließ sich die Kette umhängen, steckte das Schlachtschwert an und winkte seinem Kanzler, aufzubrechen.

Noch immer sprach der Ritter von Lichtenstein kein Wort; mit bekümmerter Miene hatte er diesen Anstalten zugesehen und sich dann abgewendet. Der Herzog schritt mit leichtem Neigen des Hauptes an dem alten Ritter vorüber zur Thüre, und die wunderliche Figur des Kanzlers Ambrosius Volland folgte ihm mit majestätischen Schritten. Hatte der Herr den Alten nicht gegrüßt, glaubte auch der Kanzler ihm dies nicht schuldig zu sein; er warf nur einen tückischen Blick nach dem Platz hinüber, wo jener noch immer stand, und sein großer, zahnloser Mund verzog sich zu einem höhnischen Lächeln. In der Thüre stand der Herzog stille, er sah rückwärts, seine bessere Natur schien über ihn zu siegen, er kehrte zur Verwunderung des Kanzlers zurück und trat zu Lichtenstein.

„Alter Mann!“ sagte er, indem er vergeblich strebte, seine tiefe Bewegung zu unterdrücken, „du warst mein einziger Freund in der Not, und in hundert Proben habe ich deine Treue bewährt gefunden, du kannst es mit Württemberg nicht schlimm meinen; ich fühle, es ist einer der wichtigsten Schritte meines Lebens, und ich gehe vielleicht einen gewagten Gang, – aber, wo es das Höchste gilt, muß man alles wagen.“

Der Ritter von Lichtenstein richtete sein greises Haupt auf, in den weißen Wimpern hingen Thränen; er ergriff Ulerichs Hand. „Bleibet“, rief er, „nur diesmal, diesmal folget meiner Stimme; mein Haar ist grau, ich habe lange gelebt, Ihr erst drei Jahrzehnte.“ – Indem ertönten die Trommeln der Landsknechte in dem Hof. Das ungeduldige Stampfen der Rosse drang [357] herauf, und die Herolde stießen, zur Huldigung rufend, in die Trompeten.

‚Jacta alea esto!‘ war der Wahlspruch Cäsars“, sagte der Herzog mit mutiger Miene, „jetzt gehe ich über meinen Rubikon. Aber dein Segen möchte mir frommen, alter Mann, zum Rat ist es zu spät!“

Der Ritter blickte schmerzlich aufwärts; die Stimme versagte ihm, er drückte segnend seines Herzogs Rechte an die Brust. Noch zögerte Ulerich bei ihm, da streckte der Kanzler den langen, dürren Arm unter dem gelben Mäntelein hervor, winkte ihm mit der Pergamentrolle; er war anzuschauen wie der Versucher, dem es gelingt, eine arme Seele mit sich hinabzuziehen. Ulerich von Württemberg riß sich los und ging, um sich von seiner Hauptstadt huldigen zu lassen.





VI.


 „Kein Feuer, keine Kohle
 Kann glühen so heiß,
 Als eine stille Liebe,
 Von der niemand nichts weiß.“
 Altes Sprichwort.


Die Besorgnisse des alten Herrn schienen nicht so ungegründet gewesen zu sein, als Ambrosius Volland sie dargestellt hatte. Ein sehr großer Teil des Landes fiel zwar dem Herzog zu, weil die Vorliebe für den angestammten Regenten, der Druck des Bundes und die anfangs so siegreichen Waffen Ulerichs viele bewogen, die Huldigung, die sie gezwungenerweise dem Bunde gethan, zu vergessen und sich für Württemberg zu erklären.

Aber die neue Huldigung, die alle frühern Verträge umstieß, das Gerücht, daß manche Stadt durch Gewalt zu diesen Formen gezwungen worden sei, bewirkte wenigstens, daß der Herzog keine Popularität gewann, ein Mangel, der in so zweifelhafter Lage oft nur zu bald fühlbar wird. Noch beharrten Urach, Göppingen und Tübingen auf ihren dem Bund geleisteten Pflichten, denn ihre bündisch gesinnten Obervögte zwangen sie mit Gewalt dazu;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 356–357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_201.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)