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dienten sie den Damen und Kampfrichtern zu Tribünen, wenn nicht der Klang der Becher, sondern Schwerthiebe, das Krachen der Lanzen, das Sausen der Speere und das Gelächter und Geschrei der Kämpfer beim freien Waffenspiel in der Halle erscholl.

Aber heute sah man hier einen gemischten Kreis schöner Frauen und fröhlicher Männer um reichbesetzte Tafeln sitzen. Auf den Galerien schwangen die Geiger lustig ihre Fiedelbogen, die Zinkenisten bliesen ihre Backen auf, die Trommler schlugen kräftig auf die Felle, und mit Jauchzen und Hallo stimmte die Volksmenge, die man auf den übrigen Teilen der Galerien zugelassen hatte, ein, wenn die Herren unten einen Trinkspruch ausgebracht hatten. Am oberen Ende der Halle saß unter einem Thronhimmel der Herzog. Er hatte seinen Hut weit aus der Stirne gerückt, schaute fröhlich um sich und sprach dem Becher fleißig zu. Zu seiner Rechten an der Seite des Tisches saß Marie; jetzt wollte die Sitte nicht mehr, daß sie die Augen niederschlug und sechs Schritte von dem Geliebten entfernt bleibe. Ein fröhliches Leben war in ihre Augen, um ihren Mund eingezogen; sie blickte oft nach ihrem neuen Gemahl, der ihr gegenübersaß, es war ihr oft, als müsse sie sich überzeugen, daß dies alles kein Traum, daß sie wirklich eine Hausfrau sei und den Namen, den sie achtzehn Jahre getragen, gegen den Namen Sturmfeder vertauscht habe; sie lächelte, so oft sie ihn ansah, denn es kam ihr vor, als gebe er sich, seit er aus der Kirche kam, eine gewisse Würde. „Er ist mein Haupt“, sagte sie lächelnd zu sich; „mein Herr, mein Gebieter, o, der gute Herr! das liebe Haupt!“

Und es war so, wie Marie zu bemerken glaubte; Georg fühlte sich gehobener, mit einer neuen Würde umgeben; es schien ihm, als zeigen ihm die Junker mehr Ehrfurcht, als ziehen ihn die älteren Ritter mehr freundlicher zu sich heran, seit er nicht mehr allein in der Welt stand, sondern wie sie, ein Hausvater, vielleicht der Stifter eines glänzenden Geschlechtes geworden war. Denn in den guten alten Zeiten waren die Begriffe noch anders als heutzutag, und man dachte sich den Edelmann und den Bürger nicht anders, als mit Weib und Kindern und überließ das Cölibat den Mönchen.

[371] In die Nähe des Herzogs war der Ritter von Lichtenstein, Marx Stumpf von Schweinsberg und der Kanzler gezogen worden, und auch der Ratsschreiber von Ulm saß nicht ferne, weil er heute als Geselle des Bräutigams diesen Ehrenplatz sich erworben hatte. Der Wein begann schon den Männern aus den Augen zu leuchten und den Frauen die Wangen höher zu färben, als der Herzog seinem Küchenmeister ein Zeichen gab. Die Speisen wurden weggenommen und im Schloßhof unter die Armen verteilt; auf die Tafel kamen jetzt Kuchen und schöne Früchte, und die Weinkannen wurden für die Männer mit besseren Sorten gefüllt; den Frauen brachte man kleine silberne Becher mit spanischem, süßem Weine. Sie behaupteten zwar, keinen Tropfen mehr trinken zu können, doch nippten und nippten sie von dem süßen Nektar immer wieder, bis man die Nagelprobe hätte machen können. Jetzt war der Augenblick gekommen, wo nach der Sitte der Zeit dem neuen Ehepaar Geschenke überbracht wurden. Man stellte Körbe neben Marien auf, und als die Geiger und Pfeifer von neuem gestimmt hatten und aufzuspielen anfingen, bewegte sich ein langer glänzender Zug in die Halle. Voran gingen die Edelknaben des fürstlichen Hofes, sie trugen goldene Deckelkrüge, Schaumünzen, Schmuck von edlen Steinen als ein Geschenk des Herzogs.

„Mögen euch diese Becher, wenn sie bei den Hochzeiten eurer Kinder, bei den Taufen eurer Enkel kreisen, mögen sie euch an einen Mann erinnern, dem ihr beide im Unglück Liebe und Treue bewiesen, an einen Fürsten, der im Glück euch immer gewogen und zugethan ist.“

Georg war überrascht von dem Reichtum der Geschenke; „Euer Durchlaucht beschämen uns“, rief er, „wollet Ihr Liebe und Treue belohnen, so wird sie nur zu bald um Lohn feil sein.“

„Ich habe sie selten rein gefunden“, erwiderte Ulerich, indem er einen unmutigen Blick über die lange Tafel hinschickte und dem jungen Mann die Hand drückte, „noch seltener, Freund Sturmfeder, hat sie mir Probe gehalten, drum ist es billig, daß Wir die reine Treue mit reinem Golde und edle Liebe mit edlen Steinen zu belohnen suchen. Doch wie, Eure schöne Frau

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 370–371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_208.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)