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Kopf bis zu den Füßen. „Man könnte zum Grund angeben“, sagte er, „daß dadurch eine Elle in der Länge erspart würde; so gut Euer Durchlaucht vor einigen Jahren das Maß und Gewicht hat kleiner machen lassen, habt Ihr nach allen Regeln der Logika auch das Recht, dem Frauenzimmer die Röcklein zu verkürzen. Wäre aber damit nichts gewonnen, denn, hi, hi, hi! schaut nur, was dort wegfiele, müßten dann die hiesigen Schönen oben wieder ansetzen. Und wer weiß, ob sie sich gerne dazu verstünden? Sie gehören zum Geschlecht der Pfauen, und Ihr wißt schon, daß diese nicht gerne auf ihre Beine sehen.“

„Hast recht! Ambrosius“, lachte der Herzog; „es geht doch nichts über einen gelehrten Herrn! Aber sag’ einmal, Kind, hast du auch schon einen Schatz? einen Liebsten?“

„Ei was, Euer Durchlaucht!“ unterbrach ihn die runde Frau, „wer wird so ebbes von so ema Kind denka! Se ist a ehrlichs Mädle, Herr Herzich!“

Der Herzog schien nicht auf diese Bemerkung zu hören; er betrachtete lächelnd die Verlegenheit, die sich auf den reinen Zügen des Mädchens abspiegelte; sie seufzte leise, sie spielte mit den bunten Bändern ihrer Zöpfe; sie sandte unwillkürlich einen Blick, aber einen Blick voll Liebe auf Georg von Sturmfeder und schlug dann errötend wieder die Augen nieder. Der Herzog, dem dies alles nicht entging, brach in lautes Lachen aus, in das die übrigen Männer einstimmten. „Junge Frau!“ sagte er zu Marien, „jetzt könnt Ihr billig die Eifersucht Eures Herrn teilen, wenn Ihr gesehen hättet, was ich sah, könntet Ihr allerlei deuteln und vermuten.“

Marie lächelte und blickte teilnehmend auf das schöne Mädchen; sie fühlte, wie wehe ihr der Spott der Männer thun müsse. Sie flüsterte der Frau Rosel zu, sie und die runde Frau zu entfernen. Auch dieses bemerkte Ulerichs scharfer Blick und seine heitere Laune schrieb es der schnell erwachten Eifersucht zu. Marie aber band ein schönes, aus Gold und roten Steinen gearbeitetes Kreuzchen ab, das sie an einer Schnur um den Hals getragen, und reichte es dem überraschten Mädchen. „Ich danke dir“, sagte sie ihr dazu; „grüße deinen Vater und besuche uns [379] recht oft hier und in Lichtenstein? Wie wäre es, wenn du mir dientest als Zofe? Du sollst es gut haben und hast ja auch deine Muhme, Frau Rosel, bei uns.“

Das Mädchen erschrak sichtbar; sie schien mit sich zu kämpfen, oft schien ein freundliches Lächeln „ja“ sagen zu wollen, aber ebenso oft drängte ein schmerzlicher Zug um den Mund diesen Entschluß zurück: „I dank’ schö, gnädige Frau!“ antwortete sie, indem sie Mariens schöne Hand küßte; „aber i mueß daheim bleibe; d’Mueter wird alt und braucht me, bhüt’ Ich Gott der Herr, älle Heilige walten über Ich und die heilige Jungfrau sei Ich gnädig. Lebet gsund und froh mit Euerem Herra, es ist a gueter, lieber Herr!“ Noch einmal beugte sich Bärbele herab auf Mariens Hand und entfernte sich dann mit ihrer Mutter und der Base.

„Hör einmal“, rief ihr der Herzog nach, „wenn deine Mutter einmal zugibt, daß du einen Liebsten bekommst, so bring’ ihn mir; ich will dich ausstatten, du hübsches Pfeiferskind!“

Unter diesen Szenen war es vier Uhr geworden, und der Herzog hob die Tafel auf. Dies war das Zeichen, daß sich jetzt das Volk von den Galerien entfernen müsse, die sogleich mit Polstern und Teppichen belegt und zum Empfang der Damen eingerichtet wurden. In dem Parterre der Tyrnitz wurden schnell die Tafeln weggeräumt, Lanzen, Schwerter, Schilde, Helme und der ganze Apparat zu Ritterspielen herbeigeschleppt, und in einem Augenblicke war diese große Halle, die noch soeben der Sitz der Tafelfreuden gewesen war, zum Waffensaal eingerichtet. Wie die Damen in unseren Tagen gerne lauschen, wenn die Männer sich in gelehrte Diskussionen und politische Streitigkeiten einlassen, wie jede wünscht, den Geliebten oder Gemahl am scharfsinnigsten urteilen, am schnellzüngigsten disputieren zu hören, so war es in den guten alten Zeiten den Frauen Freude, selbst blutige Kämpfe ihrer Männer zu beobachten, und aus manchem schönen Auge blitzte das Hochgefühl, einem Tapfern anzugehören, manche holde Wange schmückte ein höheres Rot, nicht, wenn der Geliebte in Gefahr, sondern, wenn er sich zurückzuziehen schien, oder seine Hiebe nicht so kräftig waren, wie die seines Gegners.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 378–379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_212.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)