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Es wurden an diesem Abend sogar Pferde in die Halle geführt, und Marie hatte die Freude, ihrem Geliebten den zweiten Dank im Rennen überreichen zu können, denn er machte den Herrn von Hewen zweimal im Sattel wanken. Der tapferste Kämpfer war Herzog Ulerich von Württemberg, eine Zierde der Ritterschaft seiner Zeit. Meldet ja doch die Sage von ihm, daß er an seinem eigenen Hochzeittag acht der stärksten Ritter des Schwaben- und Frankenlandes in den Sand warf. Nachdem die Ritterspiele einige Stunden gedauert hatten, zog man zum Tanz in den Rittersaal, und den Siegern im Kampfe wurden die Vortänze eingeräumt. Der fröhliche Reigen ertönte bis in die Nacht; der Herzog schien alle Sorgen vor der bangen Zukunft auf den Höcker seines Kanzlers geschoben zu haben, der wie die böse Zeit in einem Fenster saß und mit bitterem Lächeln einem Vergnügen zuschaute, von welchem ihn seine eigene Mißgestalt ausschloß.

Zum letzten Tanz vor dem Abendtrunk wollte Ulerich die Krone des Festes, die junge, schöne Frau Marie aufrufen; doch im ganzen Saal suchte er und Georg sie vergebens auf, und die lächelnden Frauen gestanden, daß sechs der schönsten Fräulein sie entführt und in ihre neue Wohnung begleitet haben, um ihr dort, wie es die Sitte wolle, die mysteriösen Dienste einer Zofe zu erzeigen.

„Sic transit Gloria mundi!“ sagte der Herzog lächelnd; „und siehe, Georg, da nahen sie schon mit den Fackeln, deine Gesellen und zwölf Junker, sie wollen dir ‚heimzünden‘. Doch zuvor leere noch einen Becher mit uns – geh’ Mundschenk! bring’ vom besten.“

Marx Stumpf von Schweinsberg und Dieterich von Kraft naheten sich mit Fackeln und boten sich an, Georg nach Hause zu geleiten. An sie schlossen sich zwölf Junker, ebenfalls mit Fackeln an, um dem jungen Mann diese Ehre zu erweisen, denn so wollte es die Sitte der guten alten Zeit. Der Mundschenk goß die Becher voll und kredenzte sie seinem Herzog und Georg von Sturmfeder.

Ulerich sah ihn lange und nicht ohne Rührung an; er drückte seine Hand und sagte:

[381] „Du hast Probe gehalten. Als ich verlassen und elend unter der Erde lag, hast du dich zu mir bekannt; als jene vierzig meine Burg übergaben und kein Stückchen Württemberg mehr mein war, bist du mir aus dem Land gefolgt, hast mich oft getröstet und auch auf diesen Tag verwiesen. Bleibe mein Freund, wer weiß, was die nächsten Tage bringen. Jetzt kann ich wieder Hunderten gebieten, und sie schreien ‚hoch‘ auf das Wohl meines Hauses, und doch war mir dein Trinkspruch mehr wert, den du in der Höhle ausbrachtest und den das Echo beantwortete. Ich erwidere es jetzt und gebe es dir zurück: Sei glücklich mit deinem Weibe, möge dein Geschlecht auf ewige Zeiten grünen und blühen; möge es Württemberg nie an Männern fehlen, so mutig im Glück, so treu im Unglück wie du!“

Der Herzog trank und eine Thräne fiel in seinen Becher. Die Gäste stimmten jubelnd in seinen Ruf, die Fackelträger ordneten sich, und seine Gesellen führten Georg von Sturmfeder aus dem Schloß der Herzoge von Württemberg.





VIII.


 „Auch aus entwölkter Höhe
 Kann der zündende Donner schlagen,
 Darum in deinen glücklichen Tagen
 Fürchte des Unglückes tückische Nähe.“
 Schiller.[1]


Der Weg, den die berühmtesten Novellisten unserer Tage bei ihren Erzählungen aus alter oder neuer Zeit einschlagen, ist ohne Wegsäule zu finden und hat ein unverrücktes, bestimmtes Ziel. Es ist die Reise des Helden zur Hochzeit. Mag sein Weg sich noch so oft krümmen, wagt er es sogar, Abstecher zu machen und in Wirtshäusern und Burgen ungebührlich lange zu verweilen, er eilt nachher um so rascheren Schrittes seinem Ziele zu, und wenn er endlich nach so vielen Leiden mit gehöriger Würde in die Brautkammer geschoben ist, pflegt der Autor dem


  1. Worte des Chorführers Cajetan aus der „Braut von Messina“.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 380–381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_213.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)