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ihr Herren vom Schwabenbund! Jetzt geht mir das Herz auf; das ist ein Anblick für einen Württemberg.“

„Schaut! sie richten schon die Geschütze“, unterbrach ihn Lichtenstein; „zurück von diesem Platz, Herr! hier ist Euer Leben in augenscheinlicher Gefahr; zurück, zurück, wir halten hier, schickt uns Eure Befehle von dort zu, wo Ihr sicher seid.“

Der Herzog sah ihn groß an. „Wo hast du gehört“, sagte er, „daß ein Württemberg gewichen sei, wenn der Feind zum Angriff blasen ließ? Meine Ahnen kannten keine Furcht, und meine Enkel werden noch aushalten wie sie, furchtlos und treu! Sieh’, wie der Berg sich dunkler und dunkler füllt von ihren Scharen. Siehst du jene weißen Wolken am Berg, Schildkröte? Hörst du sie krachen? Das ist der Donner der Geschütze, der in unsere Reihen schlägt; jetzt, wenn du ein gutes Gewissen hast, wirst du leichter Atem holen, denn um dein Leben gibt dir keiner einen Pfennig.“

„Lasset uns beten“, sagte Marx von Schweinsberg, „und dann drauf in Gottes Namen.“

Der Herzog faltete andächtig die Hände, seine Begleiter folgten seinem Beispiel und beteten zum Anfang der Schlacht, wie es Sitte war in den alten Tagen. Der Donner der feindlichen Geschütze tönte schauerlich in diese tiefe Stille, in welcher man jeden Atemzug, jedes leise Flüstern der Betenden hörte. Auch der Kanzler faltete die Hände, aber seine Augen richteten sich nicht gläubig auf zum Himmel, sie irrten zagend an den Bergen umher, und das Beben seines Körpers, so oft Blitz und Rauch aus den Feldstücken des Feindes fuhr, zeigte, daß seine Seele nicht zu dem sich aufzuschwingen vermöge, der aus den Strahlen seiner Morgensonne über Freunde und Feinde herabblickte.

Ulerich von Württemberg hatte gebetet und zog sein Schwert aus der Scheide; die Ritter und Reisigen folgten ihm und in einem Augenblick blitzten tausend Schwerter um ihn her. „Die Landsknechte sind schon im Gefecht“, sagte er, indem sein Adlerauge schnell das Thal überschaute; „Georg von Hewen! Ihr rückt ihnen mit Tausend zu Fuß nach. Schweinsberg lehne sich mit achthundert an den Wald und warte bis auf weiteres. Reinhardt [397] von Gemmingen! wollet mit den Eurigen geradeaus ziehen und den mittleren Raum zwischen dem Wald und dem Neckar einnehmen. Sturmfeder, du bleibst mit deiner Abteilung Reitern, doch bist du jeden Augenblick bereit, vorzubrechen. Gott befohlen, ihr Herren; sollten wir uns hier unten nicht wieder sehen, so grüßen wir uns desto freudiger oben.“ Er grüßte sie, indem er sein großes Schwert gegen sie neigte. Die Ritter erwiderten den Gruß und zogen mit ihren Scharen dem Feinde zu und ein tausendstimmiges „Ulerich für immer!“ ertönte aus ihren Reihen.

Das bündische Heer, das auf dem Hügel, den die Herzoglichen früher besetzt gehalten hatten, angekommen war, begrüßte seinen Feind aus vielen Feldschlangen und Kartaunen; dann zogen sie sich allmählich herab ins Thal; sie schienen durch ihre ungeheure Anzahl das kleine Heer des Herzogs erdrücken zu wollen. In dem Augenblick, als die letzten Glieder den Hügel verlassen wollten, wandte sich der Herzog zu Georg von Sturmfeder. „Siehst du ihre Feldstücke auf dem Hügel?“ fragte er.

„Wohl, sie sind nur durch wenige Mannschaft bedeckt.“

„Frondsberg glaubt, weil wir nicht über ihn wegfliegen können, sei es unmöglich, sein Geschütz zu nehmen. Aber dort am Wald biegt ein Weg links ein und führt in ein Feld. Das Feld stößt an jenen Hügel. Kannst du mit deinen Reitern ungehindert bis in jenes Feld vordringen, so bist du beinahe schon im Rücken der Bündischen. Dort läßt du die Pferde verschnauben, legst dann an und im Galopp den Hügel hinauf, die Geschütze müssen unser sein!“

Georg verbeugte sich zum Abschied, aber der Herzog bot ihm die Hand. „Lebe wohl, lieber Junge!“ sagte er, „es ist hart von Uns, einen jungen Ehemann auf so gefährliche Reise zu schicken, aber Wir wußten keinen Rascheren und Besseren als dich.“

Die Wangen des jungen Mannes glühten, als er diese Worte hörte, und seine Augen blinkten mutig. „Ich danke Euch, Herr, für diesen neuen Beweis Eurer Gnade“, rief er, „Ihr belohnt mich schöner, als wenn Ihr mir die schönste Burg geschenkt hättet. – Lebet wohl, Vater, und grüßt mein Weibchen.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 396–397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)