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sich das sonst so kühn und listig blickende Auge mit Thränen füllte, da konnte er sich nicht enthalten, seine Hand zu fassen, sie fest und herzlich zu drücken. „Es ist wahr“, sagte der junge Mann, „du hast Schweres an deinem Landesherrn verschuldet, aber du hast auch schrecklich gebüßt, denn du hast den Tod dennoch erlitten; jenes schnelle Zücken des Schwertes ist nichts mehr gegen das Gefühl, so viele bekannte Menschen hinrichten und sich den Tod immer näher kommen zu sehen! Und hast du nicht durch ein Leben voll Treue, durch Aufopferung und Wagnis aller Art den Fürsten versöhnt, an den du deine Hand legtest? Wie oft hast du ihm Freiheit, vielleicht das Leben gerettet; wahrlich, deine Schuld ist reichlich abgetragen.“

Der arme Mann hatte, nachdem er seine Erzählung geschlossen, wieder mit düsterem Sinnen ins Feuer geschaut. Er hätte ganz teilnahmslos geschienen, wenn nicht unter den Worten Georgs nach und nach ein trübes Lächeln auf seinen Zügen erschienen wäre. „Meint Ihr“, sagte er, „ich hätte gebüßt und meine Schuld abgetragen. Nein, solche Schulden tilgen sich nicht sobald, und ein geschenktes Leben muß für den aufgesetzt werden, der es uns fristete. Das Umherschleichen in den Bergen, Kundschaft bringen aus Feindes Lager, Höhlen zeigen, wo man sich verbergen kann, das ist keine schwere Sache, Herr, und das allein thut’s nicht. Ich weiß, ich werde noch einmal für ihn sterben müssen – und dann, Herr, nehmt Euch meines Weibes und meiner Tochter an.“

Eine Thräne fiel in seinen Bart, doch als schäme er sich, so weich zu sein, verbarg er sein Gesicht in der Hand und fuhr fort: „Doch dazu bin ich noch gut genug; wie jeder Kriegsmann, wie jeder im Volk, darf ich für ihn sterben, o könnte ich durch meinen Tod seine Huldigung abändern und ihm das Land wieder verschaffen, noch in dieser Stunde wollte ich sterben!“

Der Herzog erwachte; er richtete sich auf, er sah mit verwunderten Blicken um sich her, als sei er durch einen Zauber in diese Erdschlucht versetzt und sehe jetzt erst diese Felsen und Bäume, das spärliche Feuer und die von den Flammen beschienenen Männer, seine Begleiter; er bedeckte seine Augen mit der Hand, doch er sah wieder auf, als prüfe er, ob diese Erscheinungen bleiben; – [411] sie blieben, und schmerzlich sah er bald den einen, bald den andern an. „Ich habe heute ein Land verloren“, sprach er, „es hat mich nicht so geschmerzt als dieses Erwachen, denn ich habe es im Traume wieder und noch viel schöner besessen.“

„Seid nicht ungerecht, Herr“, sagte Marx Stumpf von Schweinsberg, indem er sich aus seiner gebückten Stellung aufrichtete, „seid nicht ungerecht gegen diese Wohlthat der Natur. Wie unglücklich wäret Ihr, wenn Ihr auch im Schlummer, der Eure Kräfte für das schwere Unglück stärken soll, Euren Verlust noch fühltet, auch da noch so düster darüber gebrütet hättet. Ihr seid finster und verschlossen eingeschlummert, jetzt sind Eure Züge freundlicher und milder, verdanken wir dies nicht auch Eurem Traum?“

„So hätte ich mögen nie erwachen; o, daß ich Jahrhunderte fortgeträumt hätte und dann erwacht wäre; es war so schön, so tröstlich, was ich träumte!“

Er stützte die Stirne in die Hand und schien schmerzlich bewegt. Der alte Herr von Lichtenstein war von den Stimmen der Sprechenden erweckt worden; er kannte Ulerich und wußte, daß man ihn nicht über seinen schmerzlichen Verlust brüten lassen dürfe; er rückte ihm daher näher und sprach:

„Nun, und wollt Ihr uns nicht auch sagen, was Ihr geträumt habt? vielleicht liegt auch für uns ein Trost darin, denn wisset, ich glaube an Träume, wenn sie in einer wichtigen, verhängnisvollen Stunde in unsere Seele einziehen, und ich glaube, sie kommen von oben, um uns zu trösten.“

Der Herzog schwieg noch eine Weile, er schien über die Worte des Ritters nachzusinnen; dann fing er an zu erzählen: „Mein Schwager, Wilhelm von Bayern, hat mir heute zur Probe seiner Freundschaft die Burg meiner Ahnen niedergebrannt. Dort hausten seit undenklichen Zeiten die Württemberger, und das Land, das wir besitzen, trägt von diesem Schloß den Namen. Es scheint, als habe er damit uns eine Todesfackel anzünden und mit diesen Flammen unser Wappen und Gedächtnis und selbst den Namen Württemberg vertilgen wollen. Und fast könnte er recht haben; denn mein einziges Söhnlein, Christoph, ist in fernen Landen,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 410–411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_228.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)