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„Wir legten uns, wie uns der Doktor befahl, bei der Brücke in Hinterhalt. Es war beinahe noch dunkel, als wir den Hufschlag von vier Rossen hörten, die sich der Brücke näherten, zugleich vernahmen wir das Zeichen, das uns die Reiter über dem Fluß geben sollten, wenn die Herzoglichen aus dem Wald kämen. ‚Jetzt ist’s Zeit‘, sagte der Kahlmäuser. Wir standen schnell auf und besetzten den Ausgang der Brücke. Es waren, soviel wir im Halbdunkel unterscheiden konnten, vier Reiter und ein Bauersmann; die zwei Hintersten wandten sich um und fochten mit unseren Reitern, die zwei Vorderen und der Bauer machten sich an uns. Doch wir streckten ihnen die Lanzen entgegen, und der Doktor rief ihnen zu, sich zu ergeben. Da drangen sie wütend auf uns ein; der Doktor sagte uns, der im grünen Mantel sei der Rechte; und wir hätten ihn bald gehabt, aber der Bauer, wenn es nicht der Teufel selbst war, schlug den Doktor und noch zwei von uns nieder. Jetzt stach ihm einer die Hellebarde in den Leib, daß er fiel, und dann ging es auf die Reiter. Wir packten allesamt den im grünen Mantel, wie uns der Kahlmäuser geheißen, der andere aber stürzte sich mit seinem Roß über die Brücke hinab in den Neckar und schwamm davon. Wir aber ließen ihn ziehen, weil wir den Grünen hatten, und brachten diesen hieher.“

„Das war Ulerich und kein anderer“, rief Alban von Closen; „ha! über die Brücke hinab in den Neckar! das thut ihm keiner nach.“

„Man muß ihm nachjagen“, fuhr der Truchseß auf; „die ganze Reiterei muß aufsitzen und hinab am Neckar streifen, ich selbst will hinaus –“

„O Herr“, entgegnete einer der Knechte. „da kommt Ihr zu spät; es ist drei Stunden jetzt, daß wir von der Brücke abzogen, der hat einen guten Vorsprung und kennt das Land wohl besser als alle Reiter!“

„Kerl! willst du mich noch höhnen? Ihr habt ihn entkommen lassen, an euch halte ich mich, man rufe die Wache; ich laß euch aufhängen.“

[423] „Mäßigt Euch“, sagte Frondsberg, „die armen Bursche trifft der Fehler nicht; sie hätten sich gerne das Gold verdient, das auf den Herzog gesetzt war. Der Doktor hat gefehlt, und Ihr hört, daß er es mit dem Leben zahlte.“

„Also Ihr habt heute den Herzog vorgestellt?“ wandte sich Waldburg zu Georg, der stille dieser Szene zugesehen hatte; „müßt Ihr mir überall in den Weg laufen, mit Eurem Milchgesicht? Überall hat Euch der Teufel, wo man Euch nicht braucht. Es ist nicht das erste Mal, daß Ihr meine Plane durchkreuzet –“

„Wenn Ihr es gewesen seid, Herr Truchseß“, antwortete Georg, „der bei Neuffen den Herzog meuchlings überfallen lassen wollte, so bin ich Euch leider in den Weg gekommen, denn Eure Knechte haben mich niedergeworfen.“

Die Ritter erstaunten über diese Rede und sahen den Truchseß fragend an. Er errötete, man wußte nicht aus Zorn oder Beschämung, und entgegnete: „Was schwatzt Ihr da von Neuffen; ich weiß von nichts; doch wenn man Euch dort niedergeworfen hat, so wünsche ich, Ihr wäret nimmer aufgestanden, um mir heute vor Augen zu kommen. Doch es ist auch so gut; Ihr habt Euch als einen erbitterten Feind des Bundes bewiesen, habt heimlich und offen für den geächteten Herzog gehandelt, teilet also seine Schuld gegen den Bund und das ganze Reich, seid überdies heute mit den Waffen in der Hand gefangen worden – Euch trifft die Strafe des Hochverrats an dem allerdurchlauchtigsten Bund des Schwaben- und Frankenlandes.“

„Dies dünkt mir eine lächerliche Beschuldigung“, erwiderte Georg mit mutigem Ton; „Ihr wisset wohl, wann und wo ich mich von dem Bunde losgesagt habe; Ihr habt mich auf vierzehn Tage Urfehde schwören lassen; so wahr Gott über mir ist, ich habe sie gehalten. Was ich nachher gethan, davon habt Ihr nicht Rechenschaft zu fordern, weil ich Euch nicht mehr verpflichtet war, und was meine Gefangennehmung mit den Waffen in der Hand betrifft, so frage ich euch, edle Herren, welcher Ritter wird, wenn er von sechs oder acht angegriffen wird, sich nicht seines Lebens wehren? Ich verlange von euch ritterliche Haft und erbiete

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 422–423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_234.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)