Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 008.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Nun, in Gottes Namen, Sie können denken davon, was Sie wollen; es ist dort nicht geheuer in dieser Nacht, das macht, es ist der Jahrestag der Rose.“

Ich lachte, daß die Halle dröhnte. „Nein! in meinem Leben habe ich doch so manchen Spuk erzählen gehört, aber einen Weinspuk nie! Schämt Ihr Euch nicht mit Euern weißen Haaren, noch solches Zeug zu schwatzen? Doch hier ist nicht lange zu spaßen. Hier ist die Vollmacht des Senats; im Keller darf ich trinken heute nacht, ohne nach Zeit und Raum zu fragen. Darum im Namen des Rates heiß’ ich Euch folgen. Schließe den Keller des Bacchus auf.“

Dies wirkte; unwillig, aber ohne etwas zu entgegnen, nahm er die Kerzen und winkte mir, zu folgen. Es ging zuerst wieder durch den großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einem engern schmalen Gang zusammenlief. Dumpf tönten unsere Schritte in diesem Hohlweg, und unsere Atemzüge tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen, wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähnte ächzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund Bacchus auf einem mächtigen Weinfaß. Erquickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargestellt, die alten Bremer Künstler, nicht zierlich als einen griechischen Jüngling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten Augen und hängender Zunge, wie ihn die gemein gewordene Mythe hin und wieder gotteslästerlich abkonterfeit. Schmächlicher Anthropomorphismus; blinde Thorheit des Menschen! weil einige seiner im Dienst ergrauten Priester also einhergehen, weil ihnen voll guten Mutes der Leib anschwoll, die Nase von dem brennenden Widerschein der dunkelroten Flut sich färbte, das in stummer Wonne aufwärts gerichtete Auge stehen blieb, – so legten sie dem Gott bei, was seine Diener schmückt!

Anders die Männer von Bremen. Wie fröhlich und munter reitet der alte Knabe auf dem Faß! das runde, blühende Gesicht, die kleinen, muntern Weinäuglein, die so klug und neckend herabsehen, der breite, lächelnde Mund, der sich an mancher Kanne schon versuchte; der kurze, kräftige Hals, das ganze Körperchen [13] von behaglichem, gutem Leben strotzend! Ganz besondere Kunst hat aber der Meister, der dich geschaffen, auf Arme und Beinchen gelegt. Meint man nicht, dein kräftiges Ärmlein werde sich bewegen, du werdest mit den runden Fingerchen ein Schnippchen schlagen, und der breite, lächelnde Mund werde sich aufthun zu einem munteren Juheisa, Heisa, He! Ist man nicht versucht zu glauben, du werdest im tollen Weinmut die runden Kniee beugen, den Waden anlegen, mit den Fersen stauchen und das alte Mutterfaß in Galopp setzen, daß alle Rosen, Apostel und andere gemeinere Fässer mit Hussa und Hallo dir nachjagen durch den Keller?

„Herr des Himmels!“ rief der Ratsdiener, indem er sich an mir festklammerte, „seht Ihr nicht, wie er die Augen verdreht und mit dem Füßchen baumelt?“

„Alter, Ihr seid verrückt!“ sagte ich, einen scheuen Blick nach dem hölzernen Weingott werfend, „es ist der Schein der Kerzen, der an ihm hin- und herflackert.“ Dennoch war mir wunderlich zu Mute, ich folgte dem Alten aus dem Bacchuskeller. Und war es denn auch der Schein der Kerzen, war es auch Täuschung, als ich mich umsah? Nickte er mir nicht mit dem runden Köpfchen, streckte er mir nicht das eine seiner Beinchen nach und schüttelte und krümmte sich vor heimlichem Lachen? Ich rannte unwillkürlich dem Alten nach und schloß mich dicht hinter ihm an.

„Jetzt zu den zwölf Aposteln“, sprach ich zu ihm, „wie sollen uns dort die Proben munden!“

Er antwortete nichts; kopfschüttelnd ging er weiter. Man steigt vom Keller einige Stufen aufwärts zum kleinen Kellerlein, zum unterirdischen Himmelsgewölbe, zum Sitz der Seligkeit, wo die Zwölfe hausen. Was seid ihr Trauergewölbe und Grüfte alter Königshäuser gegen diese Katakomben! Pflanzet Särge neben Särge, rühmet auf schwarzem Marmor die Verdienste des Mannes, der hier einer „fröhlichen Urständ“ entgegenschläft, stellt einen schwatzhaften Cicerone an, in Trauermantel und florumhängtem Hute, laßt ihn die absonderliche Herrlichkeit dieses oder jenes Staubes rühmen, laßt ihn erzählen von den trefflichen Tugenden eines Prinzen, der in der Bataille so und so gefallen, von der holden Schönheit einer Fürstin, auf deren Sarge die

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 12–13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_008.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)