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mit vielen Locken, was mit seinen großen braunen Augen einen auffallenden, aber angenehmen Kontrast bildete. Dem Jäger gegenüber saß ein großer, wohlgemästeter Mann mit rotausgeschlagenem Gesicht und einer Purpurnase. Er hatte die Unterlippe weit herabhängen und trommelte mit den Fingern auf seinem dicken Bauch, sie hießen ihn Philippus.

Ein starkknochiger Mann, fast wie ein Krieger anzuschauen, saß neben ihm; ein mutiges Feuer brannte in seinen dunkeln Augen, ein kräftiges Rot schmückte seine Wangen, und ein dichter Bart umschattete den Mund. Er hieß Herr Petrus.

Wie unter echten alten Trinkern, so wollte unter diesen Gästen das Gespräch nicht recht fortgehen ohne Wein; da erschien eine neue Gestalt in der Thüre. Es war ein kleines, altes Männlein mit schlotternden Beinen und grauem Haar; sein Kopf sah aus wie ein Totenkopf, über den man eine dünne Haut gespannt, und seine Augen lagen trübe in den tiefen Höhlen; er schleppte keuchend einen großen Korb herbei und grüßte die Gäste demütig.

„Ha! siehe da, der alte Kellermeister Balthasar“, riefen die Gäste ihm entgegen; „frisch heran, Alter, setz’ die Römer auf und bring’ uns Pfeifen! Wo steckst du nur so lang’, es ist längst Zwölf vorüber.“

Der alte Mann gähnte einigemal etwas unanständig und sah überhaupt aus wie einer, der zu lange geschlafen. „Hätte beinahe den ersten September verschlafen“, krächzte er, „ich schlief so hart, und seitdem sie den Kirchhof gepflastert haben, höre ich auch ziemlich schlecht. Wo sind denn aber die andern Herren?“ fuhr er fort, indem er Pokale von wunderlicher Form und ansehnlicher Größe aus dem Korb nahm und auf den Tisch setzte, „wo sind denn die andern? Ihr seid erst eurer sechs, und die alte Rose fehlt auch noch.“

„Setze nur die Flaschen her“, rief Judas, „daß wir endlich was zu trinken bekommen; und dann gehe hinüber, sie liegen noch im Faß, poch’ an mit deinen dürren Knochen und heiße sie aufstehen, sage, wir sitzen schon alle hier.“

Aber kaum hatte Herr Judas also gesprochen, als ein großes Geräusch und Gelächter vor der Thüre entstand. „Jungfer Rose [27] hoch, hussa, hoch! und ihr Schatz, der Bacchus, hoch!“ hörte man von mehreren Stimmen rufen; die Thüre flog auf, die gespenstigen Gesellen am Tische sprangen in die Höhe und schrieen: „Sie ist’s, sie ist’s, Jungfer Rose und Bacchus und die andern, holla! jetzt geht das Freudenleben erst recht an“, und dabei stießen sie die Römer zusammen, lachten, und der Dicke schlug sich auf den Bauch, und der blasse Kellermeister warf die Mütze geschickt zwischen den Beinen durch an die Decke und stimmte ein in das Jucheisa, heisa he! daß mir die Ohren gellten. Welch ein Anblick! Der hölzerne Bacchus, so auf dem Faß im Keller geritten, war herabgestiegen, nackt, wie er war; mit seinem breiten, freundlichen Gesicht, mit den klaren Äuglein grüßte er das Volk und trippelte auf kleinen Füßchen in das Zimmer; an seiner Hand führte er ganz ehrbarlich, wie seine Braut, eine alte Matrone von hoher Gestalt und weidlicher Dicke. Noch weiß ich nicht bis dato, wie es möglich war, daß dies alles so geschehen, aber damals war es mir sogleich klar, daß diese Dame niemand anders sei, als die alte Rose, das ungeheure Faß im Rosenkeller.

Und wie hatte sie sich köstlich aufgeputzt, die alte Rheinländerin! Sie mußte in der Jugend einmal recht schön gewesen sein, denn wenn auch die Zeit einige Runzeln um Stirne und Mund gelegt hatte, wenn auch das frische Rot der Jugend von ihren Wangen verschwunden war, zwei Jahrhunderte konnten die edlen Züge des feinen Gesichtes nicht völlig verwischen. Ihre Augbraunen waren grau geworden, und einige unziemliche graue Barthaare wuchsen auf ihrem spitzigen Kinn, aber die Haare, die um die Stirne schön geglättet lagen, waren nußbraun und nur etwas weniges mit Silbergrau gemischt. Auf dem Kopf trug sie eine schwarze Samtmütze, die sich enge an die Schläfe anschloß; dazu hatte sie ein Wams vom feinsten schwarzen Tuche an, und das Mieder von rotem Samt, das darunter hervorschaute, war mit silbernen Haken und Ketten geschnürt. Um den Hals trug sie ein breites Halsband von blitzenden Granaten, woran eine goldene Schaumünze befestigt; ein weiter, faltenreicher Rock von braunem Tuch fiel um ihre wohlbeleibte Gestalt, und ein kleines, weißes Schürzchen, mit feinen Spitzen besetzt, wollte sich recht

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 26–27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_015.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)