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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

welches Angst und böses Gewissen vorhielten. Übrigens mochte es an manchen Orten doch nicht ganz geheuer gewesen sein; selbst in dem sonst so ruhigen …en spukte es in manchen Köpfen seltsam.

Ich will einen kurzen Umriß von dem Stand der Dinge geben. Wenn man unbefangen unter den „Burschen“ umherwandelte und ihren Gelagen beiwohnte, so drängte sich von selbst die Bemerkung auf, daß viele unter ihnen von etwas anderem angeregt seien, als gerade von dem nächsten Zweck ihres Brotstudiums; wie einige großes Interesse daran fanden, sich morgens mit ihren Gläubigern und deren Noten (Philister mit Pumpregistern) herumzuzanken, nachher den Hund zu baden und ihn schöne Künste zu lehren, sodann Fensterparade vor ihren Schönen zu machen u. s. w., so hatten sich andere, und zwar kein geringer Teil, auf Idealeres geworfen. Ich hatte zwar dadurch, daß ich sie zum Studium des Trinkens anhielt, dafür gesorgt, daß die Herren sich nicht gar zu sehr der Welt entziehen möchten; aber es blieb doch immer ein geheimnisvolles Walten, aus welchem ich nicht recht klug werden konnte.

Besonders aber äußerte sich dies, wenn die Köpfe erleuchtet waren; da sprach man viel von Volksbildung, von frommer deutscher Art, manche sprudelten auch über und schrien von der Not des Vaterlandes, von –. Doch das ist jetzt gleichgültig, von was gesprochen wurde, es genügt zu sagen, daß es schien, als hätte eine große Idee viele Herzen ergriffen, sie zu Einem Streben vereinigt. Mir behagte die Sache an sich nicht übel; sollte es auf etwas Unruhiges ausgehen, so war ich gleich dabei, denn Revolutionen waren von jeher mein Element; nur sollte nach meiner Meinung das Ganze einen eleganteren, leichteren Anstrich haben.

Es gab zwar Leute unter ihnen, die mit der Gewandtheit eines Staatsmannes die Menge zu leiten wußten, die sich eine Eleganz des Stils, eine Leichtigkeit des Umgangs angeeignet hatten, wie sie in den diplomatischen Salons mit Mühe erlernt und kaum mit so viel Anstand ausgeführt wird; aber die meisten waren in ein phantastisches Dunkel geraten, munkelten viel von dem Dreiklang in der Einheit, von der Idee, die ihnen aufgegangen sei, und [241] hatten Vergangenheit und Zukunft, Mittelalter und das Chaos der jetzigen Zeit so ineinander geknetet, daß kein Theseus sich aus diesen Labyrinthen herausgefunden hätte.

Ich merkte oft, daß einer oder der andere der Koryphäen in einer traulichen Stunde mir gerne etwas anvertraut hätte; ich zeigte Verstand, Weltbildung, Geld und große Konnexionen, Eigenschaften, die nicht zu verachten sind, und die man immer ins Mittel zu ziehen sucht. Aber immer, wenn sie im Begriff waren, die dunkle Pforte des Geheimnisses vor meinen Augen aufzuschließen, schien sie, ich weiß nicht was, zurückzuhalten; sie behaupteten, ich habe kein Gemüt, denn dieses edle Seelenvermögen schienen sie als Probierstein zu gebrauchen.

Mochte ich aber aussehen wie ein verkappter Jakobiner, mochte ich durch meinen Einfluß auf die Menge Verdacht erregt haben? Eines Morgens trat der Pedell mit einigen Schnurren[1] in mein Zimmer und nahm mich im Namen Seiner Magnifizenz gefangen. Der Universitätssekretär folgte, um meine Papiere zu ordnen und zu versiegeln, und gab mir zu verstehen, daß ich als Demagoge verhaftet sei.

Man gab mir ein anständiges Zimmer im Universitätsgebäude, sorgte eifrig für jede Bequemlichkeit, und als der hohe Rat beisammen war, wurde ich in den Saal geführt, um über meine politischen Verbrechen vernommen zu werden.

Die Dekane der vier Fakultäten, der Rektor Magnifikus, ein Mediziner, und der Universitätssekretär saßen um einen grünbehängten Tisch in feierlichem Ornat; die tiefe Stille, welche in dem Saal herrschte, die steife Haltung der gelehrten Richter, ihre wichtigen Mienen nötigten mir unwillkürlich ein Lächeln ab.

Magnifikus zeigte auf einen Stuhl ihm gegenüber am Ende der Tafel, Delinquent setzte sich, Magnifikus winkte wieder, und der Pedell trat ab.

Noch immer tiefe Stille; der Sekretär legt das Papier zum Protokoll zurecht und schneidet Federn; ein alter Professor läßt seine ungeheure Dose herumgehen. Jeder der Herren nimmt eine


  1. Gehilfen des Pedells, Art Unterpedelle.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 240–241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)