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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Prise bedächtlich und mit Beugung des Hauptes; Doktor Saper, mein nächster Nachbar, schnupft und präsentiert mir die Dose, läßt aber das teure Magazin, von einem abwehrenden Blick Magnifici erschreckt, mit polterndem Geräusch zu Boden fallen.

„Alle Hagel, Herr Doktor“, schrie der alte Professor, alle Achtung beiseite setzend.

„O Jerum“, ächzte der Sekretär und warf das Federmesser weg, denn er hatte sich aus Schrecken in den Finger geschnitten.

„Bitte unterthänigst!“ stammelte der erschrockene Doktor Saper.

Diese alle sprachen auf einmal durcheinander, und der letztere kniete auf den Boden nieder und wollte mit der Papierschere, die er in der Eile ergriffen hatte, den verschütteten Tabak aufschaufeln.

Magnifikus aber ergriff die große Glocke und schellte dreimal; der Pedell trat eilig und bestürzt herein und fragte, was zu Befehl sei, und Magnifikus mit einem verbindlichen Lächeln zu Doktor Saper hinüber sprach: „Lassen Sie es gut sein, Lieber, er taugt doch nichts mehr; da wir aber in dieser Sitzung einiges Tabaks benötigt sein werden, glaube ich dafür stimmen zu müssen, daß frischer ad locum gebracht werde.“

Doktor Saper zog schnell sein Beutelein, reichte dem Pedell einige Groschen und befahl ihm, eilends drei Lot Schnupftabak zu bringen. Dieser enteilte dem Saal; vor dem Haus fand er, wie ich nachher erfuhr, die halbe Universität versammelt, denn meine Verhaftung war schnell bekannt geworden, und alles drängte sich zu, um das Nähere zu erfahren. Man kann sich daher die Spannung der Gemüter denken, als man den Pedell aus der Thüre stürzen sah; die vordersten hielten ihn fest und fragten und drängten ihn, wohin er so eilig versendet werde, und kaum konnte man sich in seine Beteurung finden, daß er eilends drei Lot Schnupftabak holen müsse.

Aber im Saal war nach der Entfernung des Götterboten die vorige, anständige Stille eingetreten. Magnifikus faßte mich mit einem Blick voll Hoheit und begann:

„Es ist uns von einer höchstpreuslichen Zentral-Untersuchungs-Kommission der Auftrag zugekommen, auf gewisse geheime [243] Umtriebe und Verbindungen, so sich auf unserer Universität seit einiger Zeit entsponnen haben sollen, unser Augenmerk zu richten. Wir sind nun nach reiflicher Prüfung der Umstände vollkommen darüber einverstanden, daß Sie, Herr von Barbe, sich höchst verdächtig gemacht haben, solche Verhältnisse unter unserer akademischen Jugend dahier herbeigeführt und angesponnen zu haben. Hm! Was sagen Sie dazu, Herr von Barbe?“

„Was ich dazu sage? Bis jetzt noch nichts, ich erwarte geziemend die Beweise, die mein Leben und Betragen einer solchen Beschuldigung verdächtig machen.“

„Die Beweise?“ antwortete erstaunt der Rektor, „Sie verlangen Beweise? Ist das der Respekt vor einem akademischen Senate? Man führe selbst den Beweis, daß man nicht im sträflichen Verdacht der Demagogie ist.“

„Mit gütiger Erlaubnis, Euer Magnifizenz“, entgegnete der Dekan der Juristen, „Inquisit kann, wenn er eines Verdachtes angeklagt ist, in alle Wege verlangen, daß ihm die Gründe des Verdachtes genannt werden.“

Dem medizinischen Rektor stand der Angstschweiß auf der Stirne; man sah ihm an, daß er mit Mühe die Beweisgründe in seinem Haupte hin- und herwälze. Wie ein Bote vom Himmel erschien ihm daher der Pedell mit der Dose und berichtete zugleich mit ängstlicher Stimme, daß die Studierenden in großer Anzahl sich vor dem Universitätsgebäude zusammengerottet haben und ein verdächtiges Gemurmel durch die Reihen laufe, das mit einem Pereat oder Scheibeneinwerfen zu bedrohen scheine.

Kaum hatte er ausgesprochen, so stürzte eine Magd herein und richtete von der Frau Magnifikussin an den Herrn Magnifikus ein Kompliment aus, und er möchte doch sich nach Haus salvieren, weil die Studenten allerhand verdächtige Bewegungen machen.

„Ist das nicht der klarste Beweis gegen Ihre geheimen Umtriebe, lieber Herr von Barbe?“ sprach die Magnifizenz in kläglichem Tone. „Aber der Aufruhr steigt, videant Consules ne quid detrimenti[WS 1] – man nehme seine Maßregeln; – daß auch der Teufel gerade in meine Amtsführung alle fatalen Händel

Anmerkungen (Wikisource)

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 242–243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_123.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)