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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

„Ich sehe zwar nicht ein, was für Interesse du dabei haben kannst“, antwortete der Alte und sah mich mißtrauisch an; „du könntest irgend einen Spuk im Sinne haben und dir vielleicht gar mit bösen Absichten auf des braven Mannes Seele schmeicheln; dies schlage dir übrigens nur aus dem Sinn; denn der schreibt so fromme Novellen, daß der Teufel selbst ihm nichts anhaben kann; – doch meinetwegen kannst du mitgehen.“

„Das denke ich auch; was diese Seele betrifft, so kümmere ich mich wenig um Dichter und dergleichen, das ist leichte Ware, welcher der Teufel wenig nachfragt. Es ist bei mir nur Interesse an dem Manne selbst, was mich zu ihm zieht. Übrigens in diesem Kostüm kannst du hier in Berlin keine Visiten machen, Alter!“

Der Ewige Jude beschaute mit Wohlgefallen sein abgeschabtes braunes Röcklein mit großen Perlmutterknöpfen, seine lange Weste mit breiten Schößen, seine kurzen, zeisiggrünen Beinkleider, die auf den Knien ins Bräunliche spielten; er setzte das schwarzrote dreieckige Hütchen aufs Ohr, nahm den langen Wanderstab kräftiger in die Hand, stellte sich vor mich hin und fragte:

„Bin ich nicht angekleidet stattlich wie König Salomo und zierlich wie der Sohn Isais? Was hast du nur an mir auszusetzen? Freilich trage ich keinen falschen Bart wie du, keine Brille sitzt mir auf der Nase, meine Haare stehen nicht in die Höhe à la Wahnsinn; ich habe meinen Leib in keinen wattierten Rock gepreßt, und um meine Beine schlottern keine ellenweite Beinkleider, wozu freilich Herr Bocksfuß Ursache haben mag –.“

„Solche Anzüglichkeiten gehören nicht hieher“, antwortete ich dem alten Juden; „wisse, man muß heutzutage nach der Mode gekleidet sein, wenn man sein Glück machen will, und selbst der Teufel macht davon keine Ausnahme. Aber höre meinen Vorschlag. Ich versehe dich mit einem anständigen Anzug, und du stellst dafür meinen Hofmeister vor; auf diese Art können wir leicht Zutritt in Häusern bekommen, und wie wollte ich dir’s vergelten, wenn uns dein Dichter in einen ästhetischen Thee einführte.“

[255] „Ästhetischer Thee, was ist denn das? in China habe ich manches Maß Thee geschluckt, Blumenthee, Kaiserthee, Mandarinenthee, sogar Kamillenthee, aber ästhetischer Thee war nie dabei.“

O sancta simplicitas! Jude, wieweit bist du zurück in der Kultur; weißt du denn nicht, daß dies Gesellschaften sind, wo man über Theeblätter und einige schöne Ideen genugsam warmes Wasser gießt und den Leuten damit aufwartet? Zucker und Rum thut jeder nach Belieben dazu, und man amüsiert sich dort trefflich.“

„Habe ich je so etwas gehört, so will ich Hans heißen“, versicherte der Jude, „und was kostet es, wenn man’s sehen darf?“

„Kosten? Nichts kostet es, als daß man der Frau vom Haus die Hand küßt, und wenn ihre Töchter singen oder mimische Vorstellungen geben, hie und da ein ‚wundervoll‘ oder ‚göttlich‘ schlüpfen läßt.“

„Das ist ein wunderliches Volk geworden in den letzten achtzig Jahren. Zu Friedrichs des Großen Zeiten wußte man noch nichts von diesen Dingen. Doch des Spaßes wegen kann man hingehen; denn ich verspüre in dieser Sandwüste gewaltig Langeweile.“

Der Besuch war also auf den nächsten Tag festgesetzt; wir besprachen uns noch über die Rolle, die ich als Eleve von zwei- bis dreiundzwanzig Jahren, er als Hofmeister zu spielen hätte, und schieden.

Ich versprach mir treffliche Unterhaltung von dem morgenden Tage. Der Ewige Jude hatte so alte, unbehülfliche Manieren, wußte sich so gar nicht in die heutige Welt zu schicken, daß man ihn im Gewand eines Hofmeisters zum wenigsten für einen ausgemachten Pedanten halten mußte. Ich nahm mir vor, mir selbst so viel Eleganz, als dem Teufel nur immer möglich ist, anzulegen und den Alten dadurch recht in Verlegenheit zu bringen. Zerstreuung war ihm überdies höchst nötig, denn er hatte in der letzten Zeit auf seinen einsamen Wanderungen einen solchen Ansatz zur Frömmelei bekommen, daß er ein Pietist zu werden drohte.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 254–255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)