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– Kommt er einmal zur Thür herein
Sieht er immer so spöttisch drein
Und halb ergrimmt. –
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben etc.“

Daher sage ich auch nachher:

„Und die Physiognomie versteht sie meisterlich,
In meiner Gegenwart wird ihr, sie weiß nicht wie;
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn,
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
Vielleicht wohl gar der Teufel bin.“

Soll dies bei Gretchen Ahnung sein? Ist sie befangen in der Nähe eines Wesens, das, wie man sagt, ihren Gott verleugnet? Ist es etwa ein unangenehmer Geruch, eine schwüle Luft, die ihr meine Nähe ängstlich macht? Ist es kindlicher Sinn, der den Teufel früher ahnet als der schon gefallene Mensch, wie Hunde und Pferde vor nächtlichem Spuk scheuen, wenn sie ihn auch nicht sehen? Nein – es ist nur allein mein Gesicht, mein Mäskchen, mein lauernder Blick, mein höhnisches Lächeln, das sie ängstlich macht, so ängstlich, daß sie sagt:

„– Wo er nur mag zu uns treten,
Mein’ ich sogar, ich liebte dich nicht mehr. –“

Wozu nun dies? Warum soll der Teufel ein Gesicht schneiden, das jedermann Mißtrauen einflößt, das zurückschreckt, statt daß die Sünde, nach den gewöhnlichsten Begriffen, sich lockend, reizend sehen läßt?

Wer hat nicht die herrlichen Umrisse über Goethes Faust von dem genialen Retsch[1] gesehen! Gewiß, selbst der Teufel muß an einem solchen Kunstwerk Freude haben. Ein paar Striche, ein paar Pünktchen bilden das liebliche, sinnige Gesicht des kindlichen, keuschen Gretchens, Faust in der vollendeten Blüte des Mannes steht neben ihr; welche Würde noch in dem gefallenen Göttersohn!

Aber der Maler folgt der Idee des Dichters, und siehe, ein Scheusal in Menschengestalt steht neben jenen lieblichen Bildern. [301] Die unangenehmen Formen des dürren Körpers, das ausgedörrte Gesicht, die häßliche Nase, die tiefliegenden Augen, die verzerrten Mundwinkel – hinweg von diesem Bild, das mich schon so oft geärgert hat.[AU 1]

Und warum diese häßliche Gestalt? frage ich noch einmal. Darum, antworte ich, weil Goethe, der so hoch über seinem Werk schwebende Dichter, seinen Satan anthropomorphisiert; um den gefallenen Engel würdig genug darzustellen, kleidet er ihn in die Gestalt eines tief gefallenen Menschen. Die Sünde hat seinen Körper häßlich, mager, unangenehm gemacht. In seinem Gesicht haben alle Leidenschaften gewühlt und es zur Fratze entstellt; aus dem hohlen Auge sprüht die grünliche Flamme des Neides, der Gier; der Mund ist widrig, hämisch wie der eines Elenden, der alles Schöne der Erde schon gekostet hat und jetzt aus Übersättigung den Mund darüber rümpft; der Unschuld ist es nicht wohl in seiner befleckenden Nähe, weil ihr vor diesen Zügen schaudert.

So hat der Dichter, weil er einen schlechten Menschen vor Augen hatte, einen schlechten Teufel gemalt.

Oder steht etwa in der Mythologie des Herrn von Goethe, der Teufel könne nun einmal nicht anders aussehen, er könne sein Gesicht, seine Gestalt nicht verwandeln? Nein, man lese:

„Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
– – – – – – – – – –
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut,
Ich bin ein Kavalier wie andre Kavaliere!“

  1. Man erlaube mir hier eine kleine Anmerkung: wenn ich nicht irre, so ertappt man hier den Satan auf einer größern Eitelkeit, als man ihm fast zutrauen sollte; gewiß hat ihn nichts anderes gegen jenen verehrten Dichter aufgebracht, als daß er ihn mit etwas lebhaften Farben als häßlich darstellt; diese Bemerkung wird um so wahrscheinlicher, wenn man sich erinnert, daß er oben in dem zweiten Abschnitt selbst gesteht, daß durch seine Inkarnation einige Eitelkeit in ihn gefahren sei; Meister Urian gibt sich übrigens durch den übertriebenen Eifer, [302] mit welchem er seine Mißgestalt rügt, eine Blöße, die ihm nicht hätte beigehen sollen.

  1. Fr. Aug. Moritz Retzsch (1779–1857), Maler und Radierer, gab in 26 Radierungen Illustrationen zu Goethes „Faust“.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 300–301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_151.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)