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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

von jeher zuwider gewesen, ich hatte also auch immer mittelmäßige oder schlechte Arbeit geliefert. Aber für diese Arbeit war ich ganz begeistert, ich fühlte eine hohe Freude in mir, meine Gedanken über die großen Männer meines Vaterlandes zu sagen und meine Ideale (und wer hat in diesen Jahren nicht solche) in gehöriges Licht setzen zu können.

Geschichtlich sollte das Ding abgefaßt werden. Was war leichter für mich als dies? Jetzt erst fühlte ich den Nutzen meines eifrigen Lesens; wo war einer, der so viele Geschichten gelesen hatte als ich? Und wer, der irgend einmal diese Bücher der Geschichten in die Hand nahm, wer konnte in Zweifel sein, wer die größten Männer meines Vaterlandes seien? Zwar war ich noch nicht ganz mit mir selbst im reinen, wem ich die Krone zuerkennen sollte; Hasper a Spada?[1] Es ist wahr, es war ein Tapferer, der Schrecken seiner Feinde, die Liebe seiner Freunde. Aber, wie die Geschichte sagt, war er sehr stark dem Trinken ergeben, und dies war doch schon eine Schlacke in seinem fürtrefflichen Charakter. Adolph der Kühne, Raugraf von Dassel?[1] Er hat schon etwas mehr von einem großen Mann; wie schrecklich züchtigt er die Pfaffen! Wenn er nur nicht in der Historie nach Rom wandeln und Buße thun müßte, aber dies schwächt doch sein majestätisches Bild. Es ist wahr, Otto von Trautwangen glänzt als ein Stern erster Größe in der deutschen Geschichte, dachte ich weiter, aber auch er scheint doch nicht der größte gewesen zu sein, wiewohl seine Frömmigkeit, die sehr in Anschlag zu bringen ist, jeden Zauber überwand.

Island gehörte wohl auch zum Deutschen Reich; wahrhaftig, unter allen deutschen Helden ist doch keiner, der dem Thiodolf das Wasser reicht. Stark wie Simson, ohne Falsch wie eine Taube, fromm wie ein Lamm, im Zorn ein Berserker, es kann nicht fehlen, er ist der größte Deutsche.

Ich setzte mich hin und schrieb voll Begeisterung diese Rangordnung nieder; wohl zehnmal sprang ich auf, meine Brust war zu voll, ich konnte nicht alles sagen, die Feder, die Worte versagten [327] mir, wohl zehnmal las ich mir mit lauter Stimme die gelungensten Stellen vor. Wie erhaben lautete es, wenn ich von der Stärke des Isländers sprach, wie er einen Wolf zähmte, wie er in Konstantinopel ein Pferd nur ein wenig auf die Stirne klopfte, daß es auf der Stelle tot war; wie großmütig verschmäht er alle Belohnung; ja, er schlägt einen Kaiserthron aus, um seiner Liebe treu zu bleiben; wie kindlich fromm ist er, obgleich er die christliche Religion nicht recht kannte; wie schön beschrieb ich das alles; ja! es mußte das harte Herz des alten Rektors rühren!

Ich konnte mir denken, wie er meine Arbeit mit steigendem Beifall lesen, wie er morgens in die Klasse kommen würde, um unsere Aufsätze zu zensieren; dann sendet er gewiß einen milden, freundlichen Blick nach dem letzten Platze, wohin er sonst nur wie ein brüllender Löwe schaute, dann liest er meine Arbeit laut vor und spricht: ‚Kann man etwas Gelungeneres lesen als dies? Und ratet, wer es gemacht hat? Die letzten sollen die ersten werden; der Stein, den die Bauleute verworfen haben, soll zum Eckstein werden; tritt hervor, mein Sohn, Garnmachere! Ich habe immer gesagt, du seiest ein bête, konnte ich ahnen, daß du mit so vielem Eifer Geschichten studierst? Nimm hin den Preis, der dir gebührt.‘

So mußte er sagen, er konnte nicht anders, ohne das schreiendste Unrecht zu thun. Eifrig schrieb ich jetzt meinen Aufsatz ins Reine, und um zu zeigen, daß ich auch in den neueren Geschichten nicht unbewandert sei, sagte ich am Schluß, daß ich nach Erfindung des Pulvers den deutschen Alcibiades und nächst ihm Hermann von Nordenschild für die größten Männer halte. Man könne ihnen den Ritter Euros, welcher nachher als Domschütz mit seinen Gesellen[AU 1] so großes Aufsehen gemacht habe, was die Tapferkeit betreffe, vielleicht an die Seite stellen, doch stehen jene beiden auf einem viel höheren Standpunkt.

Ich brachte dem Rektor triumphierend den Aufsatz und mußte ihm beinahe ins Gesicht lachen, als er mürrisch sagte: ‚Er wird wieder ein schönes Geschmier haben, Garnmacher!‘

  1. Romane von Cramer. (Der Herausgeber.)

  1. a b Romane von K. G. Cramer (1792).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 326–327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_165.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)