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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

das Geld zu solchen Allotriis von ihm habe, und überdies habe ich am nächsten Montag vier Tage Karzer anzutreten. Verhöhnt von meinen Mitschülern, die mir Thiodolf, deutscher Alcibiades und dergleichen nachriefen; in dumpfer Verzweiflung ging ich nach Hause. Es war gar kein Zweifel, daß mich mein Vater, wenn er diese Geschichte erfuhr, entweder sogleich totschlagen oder wenigstens zum Schneidersjungen machen würde. Vor beidem war mir gleich bange; ich besann mich also nicht lange, band etwas Weißzeug und einige seltene Dukaten und andere Münzen, welche mir meine Paten geschenkt hatten, in ein Tuch, warf noch einen Kuß und den letzten Blick nach des Nachbars Garten, sagte meinem Dachstübchen lebewohl, und eine Viertelstunde nachher wanderte ich schon auf der Straße nach Berlin, wo mir ein Oheim lebte, an welchen ich mich vors erste zu wenden gedachte.

In meinem Herzen war es öde und leer, als ich so meine Straße zog; meine Ideale waren zerronnen. Sie hatten also nicht gelebt, diese tapferen, frommen, liebevollen, biederen Männer, sie hatten nicht geatmet, jene lieblichen Bilder holder Frauen; jene bunte Welt voll Putz und Glanz, alle jene Stimmen, die aus fernen Jahrhunderten zu mir herübertönten, die mutigen Töne der Trompete, Rüdengebell, Waffengeklirr, Sporenklang, süße Akkorde der Laute – alles, alles dahin, alles nichts als eine löschpapierene Geschichte, im Hirn eines Poeten gehegt, in einer schmutzigen Druckpresse zur Welt gebracht!

Ich sah mich noch einmal nach der Gegend um, die ich verlassen hatte; die Sonne war gesunken, die Nebel der Elbe verhüllten das liebe Dresden, nur die Spitzen der Türme ragten vergoldet vom Abendrot über dem Dunstmeer.

So lag auch mein Träumen, mein Hoffen, Vergangenheit und Zukunft in Nebel gehüllt, nur einzelne hohe Gestalten standen hell beleuchtet wie jene Türme vor meiner Seele; wohlan! sprach ich bei mir selbst:

O fortes, peioraque passi
Mecum saepe viri, nunc cantu pellite curas
Cras ingens iterabimus aequor.
[1]

[331] Noch einmal breitete ich die Arme nach der Vaterstadt aus, da fühlte ich einen leichten Schlag auf die Schulter und wandte mich um.“


*  *  *


Der Herausgeber ist in der größten Verlegenheit; er hat bis auf den Tag, an welchem er dies schreibt, dem Verleger das Manuskript zum ersten Teil versprochen, und doch fehlt noch ein großer Teil des letzten Abschnittes; er ist noch nicht geweiht, die Messe ist schon vorüber und eine eigene über die paar Bogen lesen zu lassen, findet sich weder ein gehöriger Vorwand, noch würde das Werkchen diese bedeutende Ausgabe wert sein. Wir versparen daher die Fortsetzung des Festtages in der Hölle auf den zweiten Teil.




  1. Q. Horatii Flacci Carmina. Liber I, Nr. 7, Schlußstrophe.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 330–331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_167.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)