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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke


Zweiter Teil.




I.
Vorspiel.
Worin von Prozessen, Justizräten die Rede, nebst einer stillschweigenden Abhandlung, „was von Träumen zu halten sei?“

Dieser zweite Teil der Mitteilungen aus den Memoiren des Satan erscheint um ein völliges Halbjahr zu spät. Angenehm ist es dem Herausgeber, wenn die Leser des ersten sich darüber gewundert, am angenehmsten, wenn sie sich darüber geärgert haben; es zeigt dies eine gewisse Vorliebe für die schriftstellerischen Versuche des Satan, die nicht nur ihm, sondern auch seinem Übersetzer und Herausgeber erwünscht sein muß.

Die Schuld dieser Verspätung liegt aber weder in der zu heißen Temperatur des letzten Spätsommers, noch in der strengen Kälte des Winters, weder im Mangel an Zeit oder Stoff, noch in politischen Hindernissen; die einzige Ursache ist ein sonderbarer Prozeß, in welchen der Herausgeber verwickelt wurde, und vor dessen Beendigung er diesen zweiten Teil nicht folgen lassen wollte.

Kaum war nämlich der erste Teil dieser Memoiren in die Welt versandt und mit einigen Posaunenstößen in den verschiedenen Zeitungen begleitet worden, als plötzlich in allen diesen Blättern zu lesen war eine

Warnung vor Betrug.

„Die bei Fr. Franckh in Stuttgart herausgekommenen Memoiren des Satan sind nicht von dem im Alten und Neuen Testament [333] bekannten und durch seine Schriften: ‚Elixiere des Teufels‘, ‚Bekenntnisse des Teufels‘, als Schriftsteller berühmten Teufel[1], sondern gänzlich falsch und unrecht; was hiemit dem Publikum zur Kenntnis gebracht wird.“

Ich gestehe, ich ärgerte mich nicht wenig über diese Zeilen, die von niemand unterschrieben waren. Ich war meiner Sache so gewiß, hatte das Manuskript von niemand anders als dem Satan selbst erhalten, und nun, nach vielen Mühen und Sorgen, nachdem ich mich an den infernalischen Chiffern beinahe blind gelesen, soll ein solcher anonymer Totschläger über mich herfallen, meine litterarische Ehre aus der Ferne totschlagen und besagte Memoiren für unecht erklären?

Während ich noch mit mir zu Rate ging, was wohl auf eine solche Beschuldigung des Betruges zu antworten sei, werde ich vor die Gerichte citiert und mir angezeigt, daß ich einer Namensfälschung, eines litterarischen Diebstahls angeklagt sei[2] und zwar – vom Teufel selbst, der gegenwärtig als Geheimer Hofrat in persischen Diensten lebe. Er behaupte nämlich, ich habe seinen Namen Satan mißbraucht, um ihm eine miserable Scharteke, die er nie geschrieben, unterzuschieben; ich habe seinen litterarischen Ruhm benützt, um diesem schlechten Büchlein einen schnellen und einträglichen Abgang zu verschaffen; kurz, er verlange nicht nur, daß ich zur Strafe gezogen, sondern auch, daß ich angehalten werde, ihm Schadenersatz zu geben, „dieweil ihm ein Vorteil durch diesen Kniff entzogen worden.“

Ich verstehe so wenig von juridischen Streitigkeiten, daß mir früher schon der Name Klage oder Prozeß Herzklopfen verursachte; man kann sich also wohl denken, wie mir bei diesen schrecklichen Worten zu Mute ward. Ich ging niedergedonnert heim und schloß mich in mein Kämmerlein, um über diesen Vorfall nachzudenken. Es war mir kein Zweifel, daß es hier drei Fälle geben könne: entweder hatte mir der Teufel selbst das Manuskript gegeben, um mich nachher als Kläger recht zu ängstigen und auf meine Kosten


  1. Gemeint ist E. Th. W. (A.) Hoffmann. (Vgl. oben S. 250, Anm. 1.)
  2. In Wirklichkeit war nicht Hauff selbst, sondern dessen Verleger Franckh wegen des „Mannes im Monde“ angeklagt und verurteilt worden.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 332–333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)