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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Villa an der Tiber und das köstliche Haus neben dem Palast Seiner Eminenz; dies alles will uns der heilige Vater zur Ausstattung schenken; bist du nicht gerührt von so vieler Liebe?“

„Nicht verhehlen kann ich es Euch, mein Sohn“, fuhr der beredte Mann mit dem roten Hute fort, „nicht verhehlen kann ich es Euch, daß man im Lateran noch heute von Euch sprach, daß es sogar Seiner Heiligkeit selbst auffällt, daß Ihr so lange zögert. Bis über acht Tage naht ein großes Fest heran, welch herrliche Gelegenheit, etwas zu Gottes Ehre zu thun, bietet sich Euch dar!“

„Wozu doch diese Öffentlichkeit?“ fragte …, „ich hasse dieses Rühmen und Ausschreien in alle Welt. Lasset mich still in einer Kapelle die Zeremonie verrichten; was nützt es Euch, ob ich laut und offen das Opfer bringe, o Luise, Luise. Es tötet sie, wenn sie es hört!“

„Elender!“ rief die Dame, indem sie in Thränen ausbrach; „sind das deine Schwüre? Du falsches Herz; ich habe dir alles, alles geopfert, und so kannst du vergelten? O Barbar! gehe hin zu ihr, lege dich nieder in ihre Fesseln, aber wisse, daß ich mich in die Tiber stürze, über meine armen Würmer, meine unglücklichen Kinder mag sich Gott erbarmen!“

„Kinder, Kinder! Meine fromme Tochter, mein lieber, aber verblendeter Sohn; wozu dieser Skandal, diese Szene auf dem Schiffe; stillet Eure Thränen, schöne Frau; es wird noch alles gut werden; kommet, ich will einen väterlichen Kuß auf Eure Augen drücken, so. Und Ihr, wisset Ihr nicht, daß Ihr Euch versündiget gegen Donna Ines? Was wollet Ihr nur immer wieder mit der Ketzerin, die einst Eure Sinnen zu bestricken wußte? Haben wir Euch nicht Beweise genug gegeben, daß sie in einem strafwürdigen Verhältnis zu dem Teufel ist, der Eure Gestalt und Sprache angenommen hat?“

„Welch einfältiges Märchen!“ rief der junge Mann; „was wollet Ihr auch den Teufel ins Spiel ziehen, ein ehrlicher Berliner ist er, ein Tropf, dem ich das Mädchen nicht gönnen mag, wenn sie mich auch zehnmal betrog?“

„Mein Sohn, die Heilige Jungfrau schütze uns, aber der Satan selbst ist es: hat es nicht letzthin meinem dienenden Frater [365] Piccolo geträumt, der Teufel gehe hier in der heiligen Stadt spazieren? Alle seine Träume sind noch eingetroffen; der deutsche Baron ist der höllische Geist selbst. Wer es aber auch sei; sie hat Euch betrogen. Hat nicht die fromme Frau Maria Campoco Euch selbst dieses Geständnis über ihre Nichte gemacht? Was wollet Ihr nur auf die treulose Ketzerin Rücksicht nehmen! – Und schaut, was ich Euch hier mitgebracht habe“; fuhr Seine Eminenz fort, indem sie ein großes Papier entfaltete; „sehet wie ich Wort halte; ich habe Euch versprochen, die Liste aller derer mitzubringen, welche in Eurem Deutschland öffentliche Ketzer, im geheim aber gute Christen der wahren Kirche sind; da, leset!“

Der junge Mann las und staunte; er sah den Kardinal fragend an, ob er denn wirklich dieser Schrift trauen dürfe? Donna Ines, welche bemerkte, welch günstigen Eindruck diese Liste mache, zog die Hand des heiligen Mannes an den Mund und bedeckte sie mit feurigen Küssen der Andacht.

„Nicht wahr“, fuhr Rocco fort, „da stehen wohlklingende Namen? Professoren, Grafen, Fürsten sogar; freilich diese Leute können nicht so öffentlich sich erklären, Freundchen, die Politik, die Rücksicht auf ihre ketzerischen Unterthanen erlaubt das nicht; aber im Herzen, im Herzen sind sie unser; da, dieser Nr. 8, ich kann eure barbarischen Namen nicht aussprechen, der wird sich sogar öffentlich erklären und seine Irrtümer abschwören. Der da oben wird auch einen wichtigen Schritt vorwärts thun. O! und bedenket, was erst in Frankreich, selbst in England für uns gethan wird, bald, vielleicht erlebe ich es noch, bald werdet ihr alle samt und sonders zu uns zurückgekehrt sein. Wie herrlich muß dann ein Name wie der Eurige leuchten, der nicht mit der Menge, sondern lang zuvor auf unsere heiligen Tafeln verzeichnet wurde!“

„Aber, o Himmel, Kardinal! ich bin ja schlechter als die ganze Liste dieser Heimlichen. Ihr selbst wisset, daß, wenn ich zu Eurer Kirche abfalle, es nur geschieht, um den ewigen Klagen der Donna Ines zu entgehen. Diese Heimlichen haben keinen Vorteil bei ihrer Heimlichkeit. Sie gelten von außen als echte Lutheraner, und was haben sie davon, daß sie von innen römisch sind?“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 364–365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_184.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)