Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 203.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

Sie rief es und wollte nach der Tiber eilen, doch das Fräulein faßte ihr Gewand; bleich zum Tod, mit halbgeschlossenen Augen führte sie Donna Ines zu dem Kapitän und stürzte dann aus der Laube. Ich selbst war einige Augenblicke im Zweifel, ob sie nicht denselben Entschluß ausführen wollte, den die Donna für sich gefaßt; doch der Weg, den sie einschlug, führte tiefer in den Garten, und sie wollte wohl nur diesem Jammer entgehen. Der Berliner aber lief ihr ängstlich nach, und als sich auch der Kapitän losriß, ihr zu folgen, stürzte die ganze Gesellschaft, der Kardinal, ich und Signora Campoco, in den Garten.

Wir kamen zu ihnen, als eben Luise erschöpft und der Ohnmacht nahe zusammensank. S. fing sie in seine Arme auf, und trug die teure Last nach einer Bank. Dort wollte ihn der Kapitän verdrängen, er wollte vielleicht seinen Entschluß zeigen, nur ihr anzugehören, er glaubte heiligere Rechte an sie zu haben und entfernte den Arm des jungen Mannes, um den seinigen unterzuschieben.

Doch dieser, ergriffen von Liebe und Schmerz, aufgeregt von der Szene, die wir gesehen, stieß den Kapitän zurück. „Fort mit dir“, rief er; „gehe zu Pfaffen und Ehebrechern, zu Schurken deines Gelichters. Du hast deine Rolle künstlich gespielt; um diese Blume zu pflücken, mußtest du dich den Armen jenes hergelaufenen Weibes noch einmal entreißen. Hinweg mit dir, du Ehrloser!“

„Was sprechen Sie da?“ schrie der Kapitän schäumend; es mochte in der Rede des jungen Mannes etwas liegen, was als Wahrheit um so beißender war. „Welche Absichten legen Sie mir unter? Was hätte ich gethan? Erklären Sie sich deutlicher!“

„Jetzt hast du Worte, Schurke, aber als dieser Engel zu dir flehte, da hatte deinen Mund die Schande verschlossen. Rühre sie nicht an, oder ich schlage dich nieder.“

„Das kann dir geschehen“, entgegnete jener, und einem Blitze gleich fuhr er mit etwas Glänzendem aus der Tasche nach der Brust des jungen Mannes. – In Spanien lernt man gut stoßen. Der Berliner hatte einen Messerstich in der Brust und sank, ohne das Haupt der Geliebten zu lassen, in die Knie.

[403] „Jetzt wird der tapfere Hauptmann gewiß katholisch!“ war mein Gedanke, als das Herzblut des jungen Mannes hervorströmte; „jetzt wird er sich bergen im Schoße der Kirche!“ Und es schien so zu kommen. Denn willenlos ließ sich der Kapitän von Ines und dem Kardinal wegführen, und die Barke stieß vom Lande.


*


Wenige Tage nach diesem Vorfall erschien jener glorreiche Tag, an welchem der Papst vor dem versammelten Volk mir, dem Teufel, alle Seelen der Ketzer übermacht; ich habe zwar durch diese Anweisung noch nie eine erhalten und weiß nicht, ob Seine Heiligkeit falliert haben und nun auf der Himmelsbörse keine Geschäfte mehr machen, also wenig Einfluß auf das Steigen und Fallen der Seelen haben, oder ob vielleicht diese Verwünschung nur zur Vermehrung der Rührung dient, um den Wirten und Gewerbsleuten in Rom auf versteckte Weise zu verstehen zu geben, daß sie sich kein Gewissen daraus machen sollen, den Beutel der Engländer, Schweden und Deutschen zu schröpfen, da ihre Seelen doch einmal verloren seien.

An einem solchen Tage pflegt ganz Rom zusammenzuströmen, besonders die Weiber kommen gerne, um die Ketzer im Geiste abfahren zu sehen. Man drängt und schlägt sich auf dem großen Platz, man hascht nach dem Anblick des heiligen Vaters, und wenn er den heiligen Bannstrahl herabschleudert, durchzückt ein mächtiges Gefühl jedes Herz, und alle schlagen an die Brust und sprechen: „Wohl mir, daß ich nicht bin wie dieser einer.“ An diesem Tage aber hatte das Fest noch eine ganz besondere Bedeutung; man sprach nämlich in allen Zirkeln, in allen Kaffeehäusern, auf allen Straßen davon, daß ein berühmter, tapferer, ketzerischer Offizier an diesem Tage sich taufen lassen wolle. Dieser Offizier machte seine Grade erstaunlich schnell durch. Am Montag hieß es, er sei Kapitän, am Dienstag, er sei Major, am Mittwoch war er Obrist, und wenn man am Donnerstag früh ein schönes Kind auf der Straße anhielt, um zu fragen, wohin es so schnell laufe, konnte man auf die Antwort rechnen: „Ei, wisset

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 402–403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_203.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)