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jetzigen Verhältnissen besser gewesen, du hättest sie öfter gesehen; denn wenn sie sich hier in der Gegend ankaufen, nach Freilingen kommen sie doch auch alle Jahre ein paarmal, wir machen das erste Haus hier, du sollst in Zukunft die Dame des Hauses vorstellen, wie kannst du nun die Gräfin Martiniz empfangen, wenn du in der Residenz sie so ganz negligiertest[WS 1].“

„Nun, Gräfin Martiniz ist sie ja noch nicht“, meinte der Hofrat und lächelte dabei so geheimnisvoll, daß es sogar dem Präsidenten auffiel.

„Nun, Er spricht ja so sicher über diesen Punkt“, sagte dieser, „als kenne Er den Grafen Martiniz und seine Herzensangelegenheiten aus dem Fundament.“

„Seine Herzensangelegenheiten nun freilich nicht“, lächelte Berner, „aber den Grafen hatte ich die Ehre, gestern kennen zu lernen.“

„Wie“, unterbrach ihn der Präsident, „er ist schon hier, und wir schwatzen schon eine Stunde von ihm und Sie sagen nichts –“

„Fräulein Tochter ist nicht minder in der Schuld als ich“, entgegnete jener, „sie kennt ihn sogar genauer als ich.“

„Ich glaube, Ihr seid von Sinnen, Berner, oder mein Laubenheimer hat Euch erleuchtet; du, Idchen, du kennst ihn?“

„Nein – ja –“ antwortete Ida, noch höher errötend, „ich habe mit ihm getanzt, das ist alles.“

„Er war also gestern auf dem Ball? Schon bei Jahren, natürlich, ein ältlicher Mann? Schon in unserm Alter, Berner?“

„Nicht so ganz“, sagte dieser mit Hohn, „er mag so seine drei- bis vierundzwanzig Jährchen haben. Übrigens können Exzellenz seine Bekanntschaft recht wohl machen, er logiert drüben im Mond.“

Der Präsident war zufrieden mit diesen Nachrichten; er sann nach, wie der junge Mann am besten zu halten sein möchte, denn er trieb alles gerne nach dem Kanzleistil. Freund und Tochter, die er zu Rat zog, rieten, ihn einzuladen und ihm so viel Ehre und Vergnügen als möglich zu geben; der Hofrat nahm es über sich, die Sache einzuleiten, und der Präsident ging um ein Geschäft leichter in sein Kollegium.


[55]

Operationsplan.

Als er weg war, sahen sich Ida und Berner eine Zeitlang an, ohne ein Wort zu wechseln. Der Hofrat, dem das lange Schweigen peinlich wurde, zwang sich, obgleich ihm die wehmütige Freundlichkeit in Idas Gesicht, ihr thränenschwerer Blick bis tief ins Herz hinein weh that, zum Lächeln. „Nun, wer hätte es“, sagte er, „wer hätte es dem leidenden Herrn von gestern nacht angesehen, daß er drei Milliönchen habe; wie dumm ich war, daß ich glaubte, er weine in seinem Landau, weil er keine Wechselchen mehr habe; wer hätte es dem trübseligen Schmerzenreich angesehen, daß er bald eine so glänzende, lustige Partie machen würde?“

Ida schwieg noch immer; es war, als scheute sie sich vor dem ersten Wort, das sie vor dem Freund, der ihr Herz so tief durchschaut hatte, auszusprechen habe.

„Oder wie?“ fuhr er fort, „wollen wir eine Allianz schließen, mein liebes Aprilenwetterchen, daß die Gräfin Aarstein ihre Schulden nicht zahlen kann, daß –“

„O Berner, verkennen Sie mich nicht“, sagte Ida unter Thränen; „es ist gewiß nur das reine Mitleiden, was mich nötigt, auszusprechen, was sonst nie gesprochen worden wäre. Sehen Sie, dieses Weib ist die Schande unseres Geschlechts; sie ist so schlecht, daß ein ehrliches Mädchen erröten muß, wenn es nur an ihre Gemeinheit denkt. Prüfen Sie den jungen Mann da drüben, und wenn er ist, wie er aussieht, wenn er edel ist und trotz seines Reichtums unglücklich, so machen Sie, daß er nicht noch unglücklicher wird; suchen Sie ihn aus den Schlingen, die man um ihn legen wird, zu reißen –“

„Das kann niemand besser als mein Idchen“, entgegnete jener und sah ihr recht scharf in das Auge; „wenn mich nicht alles trügt, hängt das Goldfischchen an einem ganz andern Haken als dem, womit ihn der Minister ködern will; nur nicht gleich so rot werden, Kind; ich will alles thun, will ihm sein Leben angenehm machen, wenn ich kann, will ihm die Augen aufthun, daß er sieht, wohin er mit der Aarstein kommt; will machen, daß er sich in

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vernachlässigen, nicht beachten.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 54–55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_030.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)