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alte Mann war selbst verliebt in ihn, er sah ja vor Seligkeit und Liebe aus wie ein verklärter Cherub.

Kam übrigens der Graf dem Hofrat wie ein Cherub vor, so sah in ihm die Sorben den leibhaftigen Satan. Hatte sie sich doch alle erdenkliche Mühe gegeben, ihm ihre Neigung zu ihm zu zeigen; hatte sie nicht die kleinen Kalmuckenaugen aufgerissen, daß ihr das Wasser darin aufstieg, nur um ihm das Feuer zu zeigen, das für ihn strahle, hatte sie nicht alle naiven Künste aufgeboten, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Aber jetzt sah sie klar, die kleine, unzeitige Kokette, ihre Kousine, hatte ihr den herrlichen Mann weggeschnappt. Sie warf allen Haß auf diese; hatte sie sich doch vorhin so kindisch gestellt, als könnte sie nicht fünfe zählen; sie selbst, o sie hätte sich können auf den Mund schlagen für die Dummheit, ja sie selbst hatte offenbar das Mädchen, das eigentlich noch ein Backfisch war, dazu aufgereizt, den Grafen zu fangen. Wäre sie mit ihrer Anleitung zur Routine zurückgeblieben, das Kind hätte nie daran gedacht, ihr Auge zu dem schönen Fremden zu erheben. So dachte die Sorben.

Ihr pomeranzenfarbiger Teint rötete sich vor Zorn, sich so hintangesetzt zu sehen; hatte ja doch, wenn sie recht darüber nachdachte, der Graf sogar ihrer gespottet, als sie glaubte, etwas recht Witziges gesagt zu haben. Es war davon die Rede gewesen, daß jetzt alles Fräulein heiße, was man sonst wohl auch schlechthin Mamsell genannt habe; man sprach her und hin darüber, und um Ida einen Stich zu geben, die zwar von väterlicher Seite von altem Adel war, aber eine Bürgerliche zur Mutter gehabt hatte, warf sie die witzige Bemerkung ein: Die Fräulein kommen ihr gerade vor wie die Spitzen; es heiße alles Spitzen, und doch seie ein so großer Unterschied zwischen den echten und unechten, daß jedes Kind die Feinheit der echten von den gröberen unterscheiden könne. Sie hatte triumphierend über ihr Bonmot im Kreise umhergesehen, die Antwort des Grafen machte sie aber stutzen. „Sie haben recht, gnädiges Fräulein“, hatte er gesagt, „und die echten unterscheiden sich, wenn ich nicht irre, hie und da auch durch ihre Farbe von den unechten, wenigstens habe ich mir sagen lassen, daß die ganz echten gelblichbraun aussehen.“ Hatte er [83] auf ihre bräunliche Haut anspielen wollen? Die Herren und namentlich der Hofrat hatten so höhnisch dabei ausgesehen! Das Betragen des Grafen, der sie über Ida gänzlich zu ignorieren schien, bestätigte die Meinung. Sie kochte Rache in ihrer Brust und schwur sich mit den fürchterlichsten Eiden, daß der Backfisch seine Eroberungen nicht weiter fortsetzen solle. Sie war auch die erste, welche aufstand, und weil es schon ziemlich spät war, folgten die übrigen. Nein, es war ihr unerträglich; an der Thüre noch mußte sie mit ansehen, wie der Graf, welcher sich auch verabschiedete, mit seinen Blicken Ida beinahe verzehren wollte; sie mußte hören, wie er versprach, recht oft herüberzukommen. Verachtungsvoll wandte sie ihrer Kousine, die ihre Freundinnen zum Abschied küßte, den Rücken, stürmte die Treppe hinab und setzte sich, mit der ganzen Welt zerfallen, in ihren Wagen.

„Herrlicher Mensch, der Martiniz“, sagte der Präsident, als die Gesellschaft auseinander gegangen war, zu Ida und dem Hofrat, die noch bei ihm saßen; „scharmanter Mensch! wie gewandt, wie fein; schade nur, daß er sich nicht aufs diplomatische Fach gelegt hat! Wie er alles so artig zu geben weiß; wie er allem, auch dem Trivialsten, was unsere Damen sagten, mit einer Engelsgeduld zuhörte und gutmütig ein glänzendes Mäntelchen umhing, wenn sie etwas Dummes plapperten. Er wäre eine wahre Zierde des Landes, wenn er sich bei uns ankaufte. Die Gräfin Aarstein mag ich ihm auch ganz wohl gönnen, möchte übrigens wissen, wie weit er mit ihr steht –.“

Ida, die dem Lob des Geliebten mit niedergeschlagenen Augen und fliegender Brust zugehört hatte, fühlte bei den letzten Worten nicht nur einen Stich ins Herz, sondern auch einen leisen Druck auf ihr Füßchen. Sie merkte gleich, woher dies kam, und begegnete dem listigen Auge des Hofrats, der ihr Trost zuwinkte und den alten Papa über seine Fehlschüsse auszulachen schien. Ja, es stieg reiner, süßer Trost in ihr auf. Zwar sie hatte schon von der hohen Verstellungsgabe der Männer gehört und gelesen; sie wußte das Sprüchwort solcher Reisenden, „ein ander Städtchen, ein ander Mädchen“; sie erinnerte sich an die üppigen Reize der Aarstein, an ihre Verführungskunst, die schon so manches junge,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 82–83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_044.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)