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bekannt vorkam. Plötzlich faßte Graf Emil seine Hand und fragte: ‚Wo hast du den Ring her?‘ Er aber sagte lächelnd und ganz gelassen: ‚Von deiner Schwester.‘ Nun wußte ich, was die Stunde geschlagen hatte; der Graf sah ihn mit einem sonderbaren Blick an, gab ihm die Hand und sprach: ‚Ich habe nichts dagegen, nur sei ihr treu.‘ Es verging wieder ungefähr ein Vierteljahr, da kam mein Herr auf einmal nach Hause, wie ich ihn noch nie gesehen hatte; seine Augen rollten und blitzten schrecklich, zweimal schnallte er den Säbel um, und ebenso oft warf er ihn wieder hin. Ich fragte, was ihm wäre, er aber gab mir gar keine Antwort, was er sonst nie gethan hatte; ich habe nachher den ganzen Handel erfahren und darf ihn wohl erzählen. Der Graf war an jenem Nachmittag in ein Kaffeehaus gekommen, da kam ein Offizier zu ihm, nahm ihn auf die Seite, zeigte ihm einen Ring und fragte, ob er ihn wohl kenne. Der Graf besah ihn genau und erkannte, daß es derselbe Ring sei, den seine Schwester dem Marchese[WS 1] geschenkt. Er äußerte dies aber nicht gegen den Offizier, sondern fragte nur, woher er den Ring habe; der Offizier sagte ihm, daß er diesen Ring an Personen gesehen habe, die dem Grafen Martiniz nahe angingen, er seie daher gekommen, um ihm freundschaftlich zu sagen, daß er diesen Ring auf eine Stunde von Madame Trizka entlehnt habe, die ihn vom Italiener, seinem Vetter, zum Präsent bekommen zu haben behaupte.

Madame Trizka aber war die berüchtigste Kurtisane der Stadt und um Geld zu haben. Der Herr Graf fragte den Offizier auf sein Ehrenwort, ob alles sich so verhalte, und nahm ihn auf seine Versicherung sogleich zum Sekundanten an. Er schickte ihn mit dem Ring an seinen Vetter und ließ ihn fragen, ob die Trizka denselben von ihm bekommen habe. Der Italiener antwortete mit einem kalten, einfachen ‚Ja!‘ das meinen Herrn nur noch wütender machte. Seiner Fräulein Schwester mochte er das Herzeleid nicht anthun, ihr etwas von diesem Bubenstück zu sagen, und beschloß daher, den treulosen Vetter so bald als möglich aus der Welt zu schaffen.

In einem Garten der Krakauer Vorstadt schossen sie sich gleich den Morgen darauf. Mein Herr wurde an der rechten [103] Schulter leicht gestreift; er aber, der eine sichere Hand hatte und einen Rubel auf dreißig Schritte traf, schoß den Marchese durch die Brust, daß er keine Ader mehr zuckte. Man brachte beide in die Stadt und machte mit dem Italiener noch einige Versuche, ihn wieder zum Leben zu bringen, aber alles vergeblich; es war zwar noch Leben in ihm, aber er lag ohne Besinnung, und die Ärzte gaben gar keine Hoffnung.

Mein Herr, der den Herrn Vetter trotz seiner Schlechtigkeit dennoch beweinte, war so um ihn besorgt, daß er sogar nicht auf seine Rettung bedacht war, sondern sich an das Sterbebett des Vetters bringen ließ. Dieser lag immer ohne Besinnung und, wie es schien, ohne Rettung. Mein Herr saß bis tief in die Nacht bei ihm; am Ende gegen zwölf Uhr hin in der Nacht war niemand mehr zugegen als er, zwei Freunde, der Wundarzt und ich. Mit dem Schlag zwölf Uhr aber schlug der Italiener seine gräulichen, dunkeln Augen auf. Er richtete sich in die Höhe und sah sich im Zimmer um.

Uns alle wandelte ein Grauen an, denn man konnte glauben, er sei schon gestorben, so gestanden und gläsern war sein Blick. Endlich sah er meinen Herrn, wütend riß er seine blutigen Binden von der durchschossenen Brust, daß das Blut herausströmte. ‚Maledetto diabolo!‘ brüllte er und warf dem Grafen die Binden an den Kopf, sank zurück auf die Kissen, und als wir hineilten, um ihn zu unterstützen, hatte er seinen wilden Geist schon aufgegeben.

Mein Herr aber war bei dem schrecklichen Fluch des Toten in Ohnmacht gesunken. Er fiel in eine lange Krankheit, aus der er so unglücklich wieder erstand, wie Sie ihn jetzt sehen. Als er aber aus seinem Wahnsinnfieber, in welchem er drei Wochen gelegen, wieder aufwachte, da ging erst der Jammer von neuem an, denn während der Krankheit war er vollends ganz zur Waise geworden. Die junge Gräfin war ein paar Tage nach dem traurigen Vorfall plötzlich gestorben; man sagt arge Sachen in Warschau, von Gift und dergleichen, die aber ein alter Diener nicht glauben darf. Die Frau Gräfin Mutter, die immer gesiecht hatte, überlebte sie wenige Tage, dann trug man auch sie zu Grabe.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Italienischer Adelstitel, Markgraf.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 102–103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_054.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)