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Doch besser bleibt besser, und daß der Alte mit Freuden seinen Segen gibt, dafür stehe ich! Ach, wenn er nur das liebe Engelskind selbst sehen könnte!“ Dem alten Mann schien der Mund zu wässern; er bat den Hofrat noch einmal, recht zu sorgen, und ging.



Der selige Berner.

Als Brktzwisl fort war, schlug der Hofrat ein Schnippchen nach dem andern in die Luft. Er hatte sich ja seine Herzensfreude vor dem klugen Alten nicht merken lassen dürfen, und doch hätte er dem alten verwitterten Polacken um den Hals fallen mögen, so recht ins Schwarze seiner Seele hatte er mit seinen Plänchen getroffen. „Ein kapitaler Kerl, der Brktzwisl“, dachte der Hofrat, „ohne den wären wir doch samt unserer stillen Liebe und unseren geheimen Plänchen ganz und gar den Katzen. Beim alten Oheim scheint er einen Stein im Brett zu haben, und nicht nur so einen Bauern oder lausigen Laufer, wie man von der alten Tressenrockseele glauben sollte, sondern einen gewichtigen Rochen[WS 1], der dem ganzen feindlichen Hof, der Königin Aarstein und dem Staatssekretär Springer mit seinen Winkelzügen ein verdecktes und entscheidendes Schach geben soll!“ So waren des Hofrats Gedanken; es war ihm dabei so federleicht und stolz zu Mut, wie einem Kandidaten, der sein letztes Examen im Rücken und vor sich die Aussicht auf eine fette Pfarre hat, wo er mit Frauchen, Pferdchen, Kindchen, Kühen, Schafen und Schweinen mitten unter seiner lieben Pastoralherde residieren kann. Ja, es war ihm sogar ein wenig göttlich zu Mut, als hätte er Stangen, Zaum und Trense der Welt unter der Faust und regiere an geheimen Schicksalsfäden das Los des Grafen und seiner Ida.

Alle Leute blieben auf der Straße stehen, als Berner vorüberkam. Man kannte ihn sonst als einen lieben, freundlichen Mann, der gerne jedermann grüßte und hier und dort mit einem sprach; aber heute – nein, es sah zu possierlich aus, wie der gute, alte Herr vor sich hin sprach und lächelte, alle Mädchen in die Wangen kniff, allen Männern zuwinkte, und ein paar Bettelbuben, die sich am Markte prügelten, einige Groschen schenkte, daß sie sich [109] einen vergnügten Tag machen möchten. Den Präsidenten traf er auf der Treppe; er bot ihm einen guten Morgen, schüttelte ihm recht treuherzig die Hand und dachte sich, wie sich wohl der Alte freuen werde, wenn der polnische Freier angestiegen komme, um sein eheleibliches Töchterchen zu freien. „Alte Exzellenz“, wisperte er ihm ins Ohr, „aus der Heurat des Polen mit der Gräfin Aarstein wird – nichts.“ – „Nichts?“ fragte der Präsident mit langem Gesicht. „Nichts? hat Er Nachrichten, Berner? Hat etwa der Hof andere Absichten mit dieser Dame?“

„Was der Hof! was der Staatsminister!“ lachte der Hofrat, „es gibt noch ganz andere Diplomaten als die Herren in der Residenz! Meinst denn du, wenn so ein echter, feuriger Pole liebt, daß ihm das Feuer aus den Kohlenaugen herauspfupfert, er werde erst vor dem Staatssekretär den Hut abziehen und fragen: ‚Erlauben Sie gütigst, wollen Ew. Gnaden mir einen Gegenstand für meine zärtlichen Neigungen rekommandieren?‘ Nein, Herr Bruder! Auf Ehre, wir haben das anders gehalten Anno achtundachtzig, und ich mag es dem guten, reichen Jungen nicht verdenken, wenn er es auch so macht.“ – „Wie, so wäre der Graf in eine andere verliebt?“, unterbrach ihn der Präsident.

„Verliebt, wie ich sage, und für die Gräfin so gut wie verloren.“ – „Ei, ei“, sagte der Präsident mit einem klugen Gesicht, indem er die Finger an die Nase legte, „siehst du, das habe ich mir neulich gleich gedacht, daß das Attachement an die hohe Person nicht so gar groß sein müsse. Du weißt von den Aufträgen, die mir in einem Handschreiben des Staatssekretärs zukamen; ich richtete mich mit aller Gewissenhaftigkeit nach meiner Vorschrift und bohrte ihn zuerst über die hiesige Gegend an; weiß Gott, ich meine, der Mensch wird mir närrisch, lobt und preist die Gegend bis an den Himmel, hat in den vierzehn Tagen, wie er mich versichert, mit seinen scharfen Augen Lokalschönheiten entdeckt, die ihn unwiderstehlich anziehen und fesseln, ja sogar unser gutes, ehrliches Freilingen, das nun in meinen Augen eben nichts Appartes hat, liebt er so, daß ihm die hellen Thränen liefen. Nun haben wir ja den Goldfisch, denke ich, ja, ja, der Freilinger Kreis ist nicht übel, aber die Gräfin Aarstein ist wahrscheinlich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Alte Bezeichnung für den Turm beim Schachspiel (Wikipedia).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 108–109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_057.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)