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und die wunderlich geformten Bogen und Säulen des majestätischen Tempels. „Nun“, dachte Berner, „sei es um ein paar Wochen, dann sind wir zu guter Tageszeit wieder hier am Altar, dort auf den Stufen steht dann der Herr Pastor primarius, und weiter unten müssen mir die beiden Leutchen dort knien; der Herr Pastor spricht dann den Segen, und sie sind kopu—[WS 1]

Es zupfte ihn etwas am Rockschoß, er sah sich um. Der alte Brktzwisl stand hinter ihm und wischte sich einmal über das andere die alten Augen, die vor seliger Rührung übergingen. „Das ist Ihr Werk, Herr Hofrat“, schluchzte er, „möge es in Zeit und Ewigkeit –“ – „Sei still“, flüsterte Berner, „dein Werk ist es, denn hättest du nicht endlich geschwatzt, so spukte der Herr Antonio nach wie vor.“

Der alte, treue Diener nahm aber das Lob nicht an, „nun am Ende ist es doch der Himmelsengel dort“, schluchzte er weiter, „der es vollbracht hat, ohne sie hätten wir anzetteln können, was wir hätten wollen, wir hätten doch nichts zuwege gebracht. Morgenden Tages schreibe ich alles dem alten Herrn Onkel, und der kann nicht anders, er muß seinen Segen zu der holdseligen, zukünftigen Frau Gräf–“ Ein Wink seines Herrn unterbrach ihn, er eilte zu ihm hin, küßte die Hände des Grafen und den Saum von Idas Gewand und brachte dann, wie ihm der Graf befahl, Idas Mantel. Scherzend, als ging es von einem Ball nach Hause, hing Martiniz dem holden Mädchen den Mantel um und hüllte ihr das Köpfchen so tief in den Shawl, daß nur noch das feine Näschen hervorsah; der Hofrat führte sie, der stillselige Graf ging neben seiner Retterin her, und Berner wurde gar nicht eifersüchtig, daß diese das Gesichtchen immer nur dem Grafen und viel seltener ihm zuwandte.

Brktzwisl und der Küster, der ganz traurig schien, daß seine Thalerquelle doch endlich versiegt war, schlossen den Zug. „So Gott will“, sagte zu ihm der alte Diener, als er die Thüre schloß, „sind wir zum letztenmal nachts da drinnen gewesen; dir soll es übrigens dennoch nichts schaden, alter Kauz; wenn deine durstige Seele nach einem Glas Wein verlangt, so komme nur zum alten Brktzwisl in den Mond, da setzen wir uns denn hinter den Tisch, [127] die Frau Wirtin muß Alten geben, und wir trinken dann aufs Wohlsein meines Herrn und des schönen Fräuleins.“



Neue Entdeckung.

Der alte Brktzwisl kam am andern Morgen mit einem Gesicht, aus welchem man sich nicht recht vernehmen konnte, zum Hofrat; er wünschte mit freundlichem Grinsen guten Morgen und zischte doch dabei, wie wenn er Rhabarber zwischen den Zähnen hätte, ein „wenn nur das heilige Kreuzdonner–“ oder „wenn nur das Mohren–Kraut–Stern–Elementerchen“ um das andere heraus. Er rapportierte, daß er einen Brief von der alten Exzellenz, dem Oheim, habe, worin ihm dieser ankündige, daß er seine Briefe nach Fuselbronn, einer Badeanstalt zwischen Freilingen und der Residenz seitwärts gelegen, zu schicken habe. „Der Kuckuck!“ rasaunte der alte, treue Knecht, „hätte der alte Herr nicht die vierzehn Meilen weiter machen können; jetzt wäre er hier in Freilingen und schaute das Glück seines Herrn Brudersohnes mit leiblichen Augen, könnte nebenbei auch den Hochzeitvater vorstellen! Was hilft mich das, daß er wieder schreibt: ‚Brktzwisl, scheue keine Kosten, wir können es ja bezahlen, wenn der Himmel unserm Emil wieder gesunden Menschenverstand verleihen will.‘ Was hilft mich das? In allen Nestern von Italien, Frankreich, Schweden, Norwegen, England, Holland, wo wir herumfuhren, habe ich keine Kosten gescheut; ich mag gar nicht denken, was nur die Doktores kosteten, wenn ich allemal die Antwort bekam: ‚Reise weiter! Zerstreuung hilft! Glückliche Reise.‘ – Jetzt, wo wir hier Zerstreuung und Freude umsonst hatten, wo ein Engelchen meinen armen Herrn kuriert hat, jetzt soll ich keine Kosten scheuen? Was hilft da der verfluchte Mammon? Kann ich dem Fräulein sechs Louisdors[WS 2] geben wie einem Doktor oder Professor?“

So knurrte der alte Kauz bei dem Hofrat; die Worte pullerten ihm nur so hervor, es war ihm ganz ernstlicher Ernst mit der Sache, und er war auf sich und die ganze Welt ergrimmt, daß er jetzt nicht stande pede[WS 3] eine Hochzeit herhexen konnte. Der Hofrat sah ihn ganz erstaunt an und hielt sich den Bauch vor Lachen;

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Kopuliert bedeutet, zu Mann und Frau erklärt.
  2. Französische Goldmünzen (Wikipedia).
  3. stante pede, Sofort, auf der Stelle (vgl. Herders Conversations-Lexikon, Freiburg i. B. 1857, Bd. 5, S. 309).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 126–127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_066.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)