Seite:De Wilhelm Hauff Bd 3 072.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Paar rote Bäckchen, eine gedrechselte Hopfenstange von Körper, die mir die Nerven angreift, weil man sie nicht berühren darf, ohne fürchten zu müssen, daß man eines der zarten Gliederchen abknicke“ – bei der kolossalen Riesenkürassierfigur der Gräfin war dies nicht zu befürchten – „wenn dies alles für hübsch gelten soll, so ist sie wunderschön. Ha, ha, ha! wunderschön! Nun, und das – muß man ihr lassen, viel Welt und bon ton[WS 1] hat sie auch. Denken Sie sich, ich lasse mich herab, sie mir letzten Winter präsentieren zu lassen, lade sie zu meinen Soirees und Hausbällen ein, aber siehe da, Mamsell Zümpferlich setzte mir keinen Schritt wieder ins Haus; ob dies nicht eine Sottise ohnegleichen ist? Und als ich mich einmal bei ihrer Frau Pate, die einen Affen an ihr gefressen haben mußte, als ich mich bei der Fürstin Romanow beklagte, warum die junge Dame sich so impertinent gegen mich betrage, was meinen Sie, daß ich zur Antwort erhielt? Denken Sie sich, das gute Kind sei zu unverdorben und keusch, als daß sie sich in meinen Cercles gefallen könnte! Dergleichen kann man von der Fürstin sich sagen lassen und es ohne Replik[WS 2] einstecken, aber, ma fois, sonst von niemand. Also zu unverdorben und keusch! Nun, der Herr Rittmeister da wird von ihrer Keuschheit zu sprechen wissen; wie ist es damit? Gestehen Sie!“

Der Rittmeister versicherte zwar auf das heiligste, daß er Ida immer nur als ein reines Kind der Natur gefunden habe, aber sein höhnisches Teufelslächeln bei diesen Schwüren, die Art, mit welcher er den Stutzbart bis an die Ohren zurückriß und die Augen einkniff, ließ fast erraten, daß er mehr wisse und erfahren habe, als er sagen wolle.

„Nun“, sagte Sorben, „wenn die Aktien so stehen, so ist es nicht schwer zu agieren. Sie, Exzellenz, heben den Grafen durch Ihre Reize aus dem Sattel, der Rittmeister aber Ida, und zwar dadurch, daß er den Grafen eifersüchtig macht; er darf nur dem süßen Schwärmer schwören, daß er die Gunst des Fräuleins Engelrein noch nie ganz genossen habe, und dazu ein Gesicht machen, wie wir es eben gesehen haben, so muß der gute Mann abgekühlt sein, als sei er nie entbrannt gewesen.“

„Aber wie soll dies alles geschehen? Wir können doch die [139] Mamsell Zümpferlich nicht mit Extrapost kommen lassen, da sie erst vor vierzehn Tagen die Residenz verlassen hat, und der Graf ist auch nicht so schnell zu meinen Füßen citiert, als Sie sich wohl vorstellen.“

„Ist gar nicht nötig“, replizierte Sorben, indem er seine Karte immer hübscher mischte, „nicht nötig; wie wäre es, ja, das wäre am Ende das beste, wenn Sie selbst nach Freilingen gingen und dort dem ganzen Spaß auf einmal ein Ende machten?“

Der Gedanke schien der Gräfin nicht übel zu gefallen. „Wahrhaftig, es wäre so übel nicht“, antwortete sie sinnend, „der alte Präsident, wahrhaftig, ich quartiere mich selbst bei ihm ein; erst vor einem Jahr hat er mich eingeladen, wenn ich einmal auf der Durchreise auf meine Güter durch Freilingen komme, bei ihm abzusteigen. Das wäre ein zu hübscher Spaß, Fräulein Ida in ihrem eigenen Hause den Galan abzuspannen; nein, der Einfall ist göttlich, und ich bin fast entschlossen, ihn auszuführen.“ Sorben atmete wieder freier, als er die Gräfin auf so gutem Wege sah; jetzt konnte, jetzt mußte ja noch alles gut werden, und sein Ansehen, seine Ehre war gerettet; er that sich nicht wenig auf seinen Witz zu gut, mit welchem er so hübsch die Volte geschlagen und sein zweifelhaftes Spiel korrigiert hatte; noch einmal riet er dringend zur Reise und empfahl sich.

Als er fort war, gestand die Gräfin ihrem Cicisbeo[1], daß sie nach Freilingen reisen werde, und zwar gleich morgen, aber nur unter einer Bedingung, nämlich er müsse sie eskortieren; einmal würde ihr die Reise zu langweilig ohne ihn, und dann habe sie ihn auch höchst nötig, um Ida bei dem Grafen aus dem Felde zu schlagen. Der Rittmeister sagte freudig zu; eine Reise mit einer solchen Frau war eine herrliche Aussicht; daß er als Reisestallmeister den Wein nicht zu schonen habe, wußte er wohl; nach Freilingen war es drei Tagreisen, wie angenehm ließ es sich bei der Gräfin im Wagen sitzen, wie interessant ließen sich die Verhältnisse weiter spielen, wenn man abends ins Nachtquartier einrückte; – und dann, er kützelte sich schon mit dem Gedanken, sich


  1. Cicisbeo (ital.), d. h. Galan, der Hausfreund.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Bon ton (frz.), der gute Ton, feine und gesittete Umgangsformen (vgl. Brockhaus Conversations-Lexikon, Amsterdam 1809, Bd. 7, S. 135.).
  2. Erwiederung, Gegenrede.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 138–139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_072.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)