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aber nicht länger als ein paar Tage, dann – das Mädchen, das er belagerte, mußte ja in dieser Frist kirre gemacht sein, dann kehrte er seine wahre Seite heraus, sein Auge wurde lüstern, seine Reden lockend, schlüpfrig, mußten jedes zarte, weibliche Ohr aufs tiefste beleidigen, wenn es nicht schon ganz für ihn gewonnen war. So hatte er sich auch Ida genähert. Das unschuldige Kind hatte Gefallen an seinen Gesprächen, die ihr ein wenig mehr Gehalt zu haben schienen als die der übrigen jungen Herrn, sie ging oft in seinen Witz, in seine heitere Laune ein. Er aber hatte sich ein rasendes Dementi bei diesem Mädchen gegeben. Er hatte sie in eine Klasse gerechnet mit den verdorbenen Kindern der Residenz, die, zur Jungfrau herangewachsen, unter dem Schleier der Sittsamkeit eine kaum verhaltene Lüsternheit, ein sündiges Sinnen und Begehren verbergen. Diese hatte er immer bald aufs Eis geführt, und waren sie nur einmal in einem Wörtchen geglitscht und geschlüpfert, husch –; so hatte er auch bei Ida endlich, nachdem er alle edlern Farben hatte spielen lassen, die herausgekehrt, die jede andere geblendet hätte, aber vor dem strengen Blick der reinen Jungfrau nicht Farbe hielt. Mit Schanden, man sagt sogar mit einer tüchtigen Ohrfeige war er abgezogen, erklärte Ida überall für ein Gänschen, schwor ihr bittere Rache und warf sich in die Arme der Aarstein, wo ihm ohne langweilige Präliminarien bald wurde, was er bei Ida durch tausend Künste umsonst gesucht hatte.

„Das ist aber auch zu abscheulich“, dachte Ida, „so wenig sich zu genieren!“ Denn daß die Gräfin ihren Liebhaber mitgenommen, daß er auf keinem andern Wege nach Freilingen gekommen sei, das hatte sie gleich weggehabt. Weiter dachte sich aber das gute, unschuldige Kind nichts dabei. Sie kannte zwar die grundlose Schlechtigkeit der Aarstein so ziemlich, sie wußte, daß diese gekommen sei, um den Grafen zu gewinnen; aber das ahnete sie nicht, daß man den Rittmeister nur dazu mitgenommen haben könnte, um sie von Martiniz’ Herzen loszureißen, um sie in eben jenem Lichte zu zeigen, in welchem sie die Gräfin sah. Nein, an diesen wahrhaft höllischen Plan dachte das engelreine Herzchen, das allen Menschen gerne ihr Gutes gönnte, nicht. Und wie sollte sie auch daran gedacht haben. Sie glaubte ja gar nicht anders, als [153] die Gräfin könne von ihrer Liebe zu Martiniz auch nicht die leiseste Ahnung haben, wußte ja sogar sie kaum seit Stunden, daß sie ihn so recht innig liebe, hatte sie ja doch all ihre Sehnsucht, alle ihre Liebe recht tief und geheimnisvoll im Herzchen verschlossen, und niemand könne, glaubte sie, da hineinsehen, als vielleicht höchstens Mart– ja er mußte ja gefühlt haben, daß sie ihm gut seie, sonst hätte er wohl nicht jenes Geständnis gewagt, daß er sie lie–

Aber da schellte es schon zum zweitenmal in des Vaters Zimmer; wahrhaftig, die Theestunde war da, und noch manches war zu rüsten; die Gedanken an Rum und Zitrone, Zucker und Thee, Milch und Brötchen, Tassen und Löffelchen verdrängten alle anderen; sie flog die Treppe hinab, um schnell alles zu ordnen. Dort stand schon Papa und flüsterte ihr zu: „Schicke dich nur; es sind allerhand Besuche da, und du könntest leicht mehr Rum brauchen als das Bouteillchen da!“



Trau – schau – wem?

Als Ida in das Theezimmer trat, stellte ihr der Präsident, nein, sie hätte mögen gerade in den Boden sinken – „Siehe da, Ida“, sagte er, „ein Bekannter von dir aus der Residenz, Herr von Sporeneck, hat uns diesen Abend mit seinem Besuch beehrt. Nun, das wird mein Kind freuen; wenn so einer von euch Herren in unser kleines Freilingen hereinkommt, ist es gleich ein Jubel und ein Fest für alle Mädchen, die nur einmal in der Residenz waren; da werden dann allemal in Gedanken alle Bälle und die kleinsten Touren noch einmal durchgetanzt und in der Erinnerung viel getollt; ich kenne das“, setzte der freundliche Alte hinzu, indem er sein Töchterchen in die Wange knipp, „war auch einmal jung und kenne das.“ Er ging weiter und ließ den Rittmeister vor Ida stehen.

Diese wurde bald blaß, bald rot und zitterte, als sollte sie gerade umfallen. Dieser Mensch, den sie so schnöde abgewiesen hatte, dieser konnte es wagen, in ihres Vaters Haus zu kommen?! Sollte sie ihn nicht öffentlich prostituieren[WS 1], ihn einen impertinenten Menschen heißen und fortschicken? Doch nein, sie wußte, wie

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Prostituieren, d. h. bloßstellen, öffentlich preisgeben (vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Leipzig 1908, Band 16, S. 389).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 152–153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_079.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)