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noch Junggesellen seien – „nun nachher“, fuhr der Graf fort, „muß das Brautpaar eine kleine Reise machen, und wir beide gehen als garde de dame auch mit, bestellen die Pferde auf den Stationen, daß die jungen Eheleutchen in ihrem Landau nicht inkommodiert werden, wir beide aber spiegeln und erfreuen uns an dem Glück, das wir, ich und Sie, lieber Hofrat, zusammen gemacht haben.“

Dem Hofrat, obgleich er lächeln wollte, stand doch eine Thräne der Rührung im Auge; er drückte dem edelmütigen Polen die Hand und erklärte sich bereit, mit ihm selbst um die Erde zu reisen. „Und wann soll die Hoch–“

„Über acht Tage soll die Hochzeit sein“, rief der alte Herr; und der Präsident, der gerade hinzugetreten war, rief es nach und lud sämtliche versammelte Gäste dazu ein.



Zurüstungen.

Es war ein sonderbarer Anblick, den des Präsidenten Haus in diesen Tagen gewährte. Das Rennen und Laufen der Schneider und Schneiderinnen, Nähterinnen, Schuster, Schreiner, Schlosser, Küster, Bäcker, Fleischer, Köche, Kaufleute u. s. w. wollte gar kein Ende nehmen. Beinahe in jedem Zimmer sah man, auf jeder Treppe stieß man auf einen Handwerker, und alle thaten, als ob von ihrer Nadel oder Pfriemen die ganze Hochzeit abhinge.

Machten aber diese schon wichtige Gesichter – huh! da grauste einem ordentlich, es lief wie eine dicke Gänsehaut über den Körper, wenn man den Hofrat sah. Er war in diesen Tagen der Vorbereitung viel magerer und bleicher geworden, seine Augen lagen tief und entzündet, ein Zeichen, daß er viel bei Nacht wachte; und es war auch so; bei Tag lief er sich beinahe die Füße ab wie die Hündin des Herrn von Münchhausen aufschneiderischen Angedenkens, da war zu bestellen und zu besorgen, er lief hin und her, in alle Ecke und Ende der Stadt, ja man will ihn an mehreren Orten zugleich gesehen haben.

Bei Nacht – nein, es war ein Wunder, daß der Mann nicht schon längst tot war, nachdem er sich müde gelaufen, müde [209] gesorgt, müde gesehen, müde geschwatzt, müde gescholten, müde erzählt hatte – kam erst kein Schlaf über ihn.

Er streckte sich ins Bett, ließ zwei Wachskerzen und einigen Glühwein auf den Nachttisch setzen, in einem großen Korbe standen vor ihm Bücher, ein ganzer Schatz von Festen; da war das seltene Werk: „Wahrhafte und akkurate Beschreibung des solennesten Festins am Hofe Ludwigs XIV.“ Ferner: „Der allzeit fertige maître de plaisir, für Hofleute, vornehme Festlichkeiten und anderen Kurzweil.“ „Der galante Junker, oder wie Tänze, Schmäuse, Hochzeiten, Kindtaufen u. s. w. am schönsten zu arrangieren.“ Sogar das Festbüchlein von Krummacher[1] hatte er sich aus dem Buchladen kommen lassen, denn er dachte nicht anders, als es müssen darin allerhand neue und nie gesehene Festivitäten erzählt sein. Er soll sich übrigens sehr geärgert haben, als dem nicht also war.

Aus dieser Festbibliothek nun, die er Stück für Stück mit der größten Geduld und Aufmerksamkeit durchlas, machte er sich Randglossen und Auszüge; er kam aber dadurch am Ende selbst mit sich in Streit, denn das sah er ein, wenn man alle die schönen Sachen, die er sich aufnotiert hatte, ausführen wollte, so mußte man vierzehn Tage lang Hochzeit halten, und doch konnte er nicht mit sich einig werden, was er weglassen sollte. So lebte er in einem ewigen Zappel, ja, es war ordentlich rührend anzusehen, wenn er hie und da bei Ida bis zum Tode ermüdet in ein Sofa sank, den brechenden Blick auf sie heftete, als wollte er sagen: „Sieh’, für dich opfere ich mein Leben auf.“

Und Ida? Habt ihr, meine schönen Leserinnen, je ein geliebtes Bräutchen gesehen oder waret ihr es einmal oder – nun, wenn ihr es selbst noch seid, gratuliere ich von Herzen, nun, wenn ihr ein solches süßes Engelskind kennt, mit dem bräutlichen Erröten auf den Wangen, mit dem verstohlenen Lächeln des kußlichen Mundes, der sich umsonst bemüht, sich in ehrbare Matronenfalten


  1. Fr. Adolf Krummacher (1768–1845), bekannter Parabeldichter, gab 1810 „Das Festbüchlein, eine Schrift fürs Volk“ (3 Teile: 1. Der Sonntag, 2. Das Christfest, 3. Das Neujahrsfest) heraus.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 208–209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_107.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)