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zusammenzuziehen, mit der süßen, namenlosen Sehnsucht in dem feuchten, liebetrunkenen Auge, wenn ihr sie gesehen habt in jenen Augenblicken, wo sie dem geliebten Mann, dem sie nun bald ganz, ganz angehören soll, verstohlen die Hand drückt, ihm die Wange streichelt, wenn sie den weichen Arm vertrauungsvoll um seine Hüfte schlingt, wie um eine Säule, an der sie sich anschmiegen, hinaufranken, gegen die Stürme des Lebens Schutz suchen will, wenn sie mit unaussprechlichem Liebreiz die seidenen Wimpern aufschlägt und mit einem langen Blick voll Ergebenheit, voll Treue, voll Liebe an ihm hängt, wenn die Schneehügel des wogenden Busens sich höher und höher heben, das kleine, liebewarme Herzchen sich ungeduldig dem Herzen des Geliebten entgegendrängt – kennet ihr ein solches Mädchen, so wißt ihr, wie Ida aussah; kennet aber ihr ein solches Engelskind, ihr Tausende, die ihr einsam unter dem Namen Junggesellen über die Erde hinschleicht, ohne wahre Freude in der Jugend, ohne Genossin eures Glückes, wenn ihr Männer seid, ohne Stütze im Alter – wißt ihr eine solche frische Hebeblüte und ein fröhliches Amorettenköpfchen, das etwa auch so warme Küßchen, auch so liebevolle Blicke spenden könnte wie Ida, o, so bekehret euch, solange es Tag ist, wenn sie sich euch vertrauungsvoll im Arme schmiegt, wenn sie das Lockenköpfchen an eure Brust legt, aus milden Taubenaugen zu euch aufblickt, mit dem weichen Samtpatschchen die Falten von der Stirne streichelt – ihr werdet mir danken, euch den Rat gegeben zu haben.

Und Emil? Nun, ich überlasse es meinen Leserinnen, sich einen recht bildhübschen Mann aus ihrer Bekanntschaft zu denken, zu denken, wie er den Arm um sie schlingt, ihnen recht sinnig ins Auge blickt und sie kü–

Nun erschrecken Sie nur nicht! es thut nicht weh; Sie haben sich einen gedacht? – Ja? – Nun, gerade so sah Emil von Martiniz als Bräutigam aus.

So sah ihn auch die Gräfin; das Herz wollte ihr beinahe bersten, daß der herrliche Mann nicht ihr gehören sollte. Eines Morgens, ehe man sich’s versah, sagte sie adieu, ließ packen und – weg war sie. [211]


Hochzeit.

Und endlich war der schöne Tag gekommen.

Was nur halbwegs laufen konnte, war heute in Freilingen auf den Beinen, und der polnische Graf und Fräulein Ida von Sanden waren in aller Mund. Vor der Kirchthüre schlugen und drängten sich die Leute als wie vor einem Bäckerladen in der Hungersnot. Alle Stühle in der Kirche waren besetzt, und von Minute zu Minute wuchs der Andrang.

Aber zum Hauptportal, den Gang hinauf bis an den Altar durfte kein Mensch, das hatte sich ein Mann ausgewirkt, der heute stille, aber tief an dem Glück des Brautpaares teilnahm; dieser Mann war der Küster. Er hätte viel darum gegeben, wenn er der versammelten Menge hätte sagen dürfen: „Sehet, der Herr Bräutigam, es war just nicht ganz recht richtig mit ihm; er hatte allerhand Affairen mit Herrn Urian, der ihn allnächtlich hieher in die Münsterkirche trieb. Da herein konnte er aber nicht, und ich, der Küster von Freilingen, habe ihm allnächtlich zu seiner Freistatt verholfen, war auch dabei, wie das Wunderkind, das jetzt seine Braut ist, ihn erlöset hat von dem Übel, das mir, nebenbei gesagt, alle Tage einen harten Thaler einbrachte; habe ich es nicht gleich damals zu dem alten Polacken gesagt, daß die beiden Liebesleutchen noch einmal in meine Kirche und vor meinen Altar kommen würden?“

So hätte er gerne zu den Freilingern gesprochen; es juckte ihn und wollte ihm beinahe das Herz abdrucken, daß er sich nicht also in seiner Glorie zeigen durfte, aber – er that sich doch auch wieder nicht wenig darauf zu gut, daß er, was nicht jeder kann, so gut das Maul halten könne. Aber seine Attention hatte er dem Pärchen bewiesen, daß es eine Freude war. Vom Portal bis zum Altar waren Blumen gestreut, er hatte es sich etwas kosten lassen und keine kleine Hatz deswegen mit seiner Liebsten gehabt, aber diesmal hatte er doch durchgedrungen und seinen eigenen Willen gehabt.

Jetzt kam Gerassel die Straße herauf; dem alten Küster schlug

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 210–211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_108.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)