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Galerie[1] von Strixner[2] lithographiert worden sei. In Ostende, wo ich durch mehrere Briefe nachforschte, konnte ich nichts erfahren, als daß allerdings ein englisches Schiff, die Luna, Kapitän Wardwood, im August Passagiere nach Portugal an Bord genommen habe, und daß sich im Register des Hafendirektors ein „Don Pedro de Montanjo“ nebst Nichte und Dienerschaft befinde. Am Rhein, wo ich mich nach Herrn von Faltner und seiner Familie erkundigte und erzählte, warum ich nachfrage, erklärte man mir alles für Erfindung, denn es gebe am ganzen Rhein hinab nur gesittete Landwirte, die mit ihren Frauen wie die Engel im Himmel leben.

Sie sehen, ich habe keine Mühe gescheut, die Geschichten, die ich erzähle, so glaubwürdig als möglich zu machen. Es gibt freilich Leute, die mir dieser historischen Wahrheit wegen gram sind und behaupten, der echte Dichter müsse keine Straße, keine Stadt, keine bekannten Namen und Gegenstände nennen, alles und jedes müsse rein erdichtet sein, nicht durch äußern Schmuck, sondern von innen Wahrheit gewinnen, und wie Mahomeds Sarg, müsse es in der schönen, lieben, blauen Luft zwischen Himmel und Erde schweben. Andere halten es vielleicht auch für „eine rechtswidrige Täuschung des Publikums“ und können mich darüber belangen wollen, daß ich behaupte, dies und jenes habe sich da und dort zugetragen, und ich könne doch keine stadtgerichtlichen Zeugnisse beibringen. Aber ist denn hier von echter Poesie, von echten Dichtern die Rede? Man lege doch nicht an die Erzählungen einiger alten Damen diesen erhabenen Maßstab! Goethe erzählt in „Dichtung und Wahrheit“, er habe in der Frankfurter Stadtmauer eine Thüre und einen wunderschönen Garten gesehen. Noch heute laufen alle Fremde hin (ich selbst war dort) und beschauen die Mauer und wundern sich, daß man nicht wenigstens die Reparatur schauen könne, wenngleich das Loch nur geträumt [269] und nie in der Mauer war. Solchen poetischen Frevel gegen ein gesetztes Publikum mag man einem Goethe vorrücken, armen Menschen ohne den Kammerherrenschlüssel der Poesie, der die Mauern aufschließt, wenn sie auch keine Thüren haben, muß man solche Freiheiten zu gut’ halten.

Darum lesen Sie, verehrter Herr, diese Geschichten, so abenteuerlich sie sein mögen, als reine, treue Wahrheit; es wird Sie weniger ärgern, als wenn Sie Dichtungen vor sich zu haben meinten und Ihr scharfes Auge ein wirres Gewebe unwahrscheinlicher Lügen fände. W. H.



  1. Die Brüder Sulpiz (1783–1854) und Melchior Boisserée (1786–1851) machten sich verdient um die Sammlung und Erhaltung von Werken der ältern deutschen Malerschule. Ludwig I. von Bayern kaufte 1827 ihre Gemäldesammlung um 240,000 Gulden für die Münchener Pinakothek.
  2. 1822 erschien eine „Sammlung altnieder- und oberdeutscher Gemälde der Brüder S. und M. Boisserée und J. Bertram, lithographiert von J. N. Strixner“.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 268–269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_137.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)