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Die schönsten Fräulein fanden jetzt, daß er gar kein übles Gesicht habe, ja es liege sogar etwas Interessantes, überaus Anziehendes darin, was man in den Anlagen eben nicht häufig sehe; die Direktoren und allerlei Räte fragten: wer der junge Mann wohl sein könnte? Und nur einige Lieutenants konnten Auskunft geben, daß er hie und da im Museum Beefsteak speise, seit einem halben Jahre in der Schloßstraße wohne und einen schönen Mecklenburger reite, so ihm eigen angehörig. Sie setzten noch vieles über die Vortrefflichkeit dieses Pferdes hinzu, wie es gebaut, von welcher Farbe, wie alt es sei, was es wohl kosten könnte, und kamen so auf Pferde überhaupt zu sprechen, was sehr lehrreich zu hören gewesen sein soll.

Den jungen Fröben aber sah man seit dieser Zeit öfter in Gesellschaft Don Pedros, und gewöhnlich fand er sich abends im „König von England“ ein, wo er, etwas entfernt von anderen Gästen, bei dem Señor saß und mit ihm sprach. Diego aber stand hinter dem Stuhl seines Herrn und bediente beide fleißig mit Xeres[1] und Zigarren. Niemand konnte eigentlich begreifen, wie die beiden Herren zusammengekommen, oder welches Interesse sie aneinander fanden. Man riet hin und her, machte kühne Konjekturen, und am Ende hätte doch der junge Mann selbst den besten Aufschluß darüber geben können, wenn ihn nur einer gefragt hätte.


2.

Und war es denn nicht die schöne Galerie der Brüder Boisserée[2] und Bertram[3], wo sie sich zuerst fanden und erkannten? Diese gastfreien Männer hatten dem jungen Manne erlaubt, ihre Bilder so oft zu besuchen, als er immer wollte; und er that dies, wenn er nur immer in der Mittagsstunde, wo die Galerie geöffnet wurde, kommen konnte. Es mochte regnen oder schneien, das Wetter mochte zu den herrlichsten Ausflügen in die Gegend locken, er kam; er sah oft recht krank aus und kam dennoch. Man [273] würde aber unbilligerweise den Kunstsinn des Herrn von Fröben zu hoch anschlagen, wenn man etwa glaubte, er habe die herrlichen Bilder der alten Niederländer studiert oder nachgezeichnet. Nein, er kam leise in die Thüre, grüßte schweigend und ging in ein entferntes Zimmer, vor ein Bild, das er lange betrachtete, und ebenso stille verließ er wieder die Galerie. Die Eigentümer dachten zu zart, als daß sie ihn über seine wunderliche Vorliebe für das Bild befragt hätten; aber auch ihnen mußte es natürlich aufgefallen sein, denn oft, wenn er herausging, konnte er nur schlecht die Thränen verbergen, die ihm im Auge quollen.

Großen historischen oder bedeutenden Kunstwert hatte das Bildchen nicht. Es stellte eine Dame in halb spanischer, halb altdeutscher Tracht vor. Ein freundliches, blühendes Gesicht mit klaren, liebevollen Augen, mit feinem, zierlichen Mund und zartem, rundem Kinn trat sehr lebendig aus dem Hintergrund hervor. Die schöne Stirne umzog reiches Haar und ein kleiner Hut, mit weißen buschigten Federn geschmückt, der etwas schalkhaft zur Seite saß. Das Gewand, das nur den schönen, zierlichen Hals freiließ, war mit schweren goldenen Ketten umhängt und zeugte ebensosehr von der Sittsamkeit als dem hohen Stand der Dame.

„Am Ende ist er wohl in das Bild verliebt“, dachte man, „wie Calaf in das der Prinzessin Turandot[4], obschon mit ungleich geringerer Hoffnung, denn das Bild ist wohl dreihundert Jahre alt und das Original nicht mehr unter den Lebenden.“

Nach einiger Zeit schien aber Fröben nicht mehr der einzige Anbeter des Bildes zu sein. Der Prinz von P. hatte eines Tages mit seinem Gefolge die Galerie besucht. Don Pedro, der Haushofmeister, hatte die umherschreitende Schar der Zuschauer verlassen und besah sich die Gemälde, einsam von Zimmer zu Zimmer wandelnd; doch wie vom Blitz gerührt, mit einem Ausruf des Erstaunens war er vor dem Bild jener Dame stehen geblieben. Als der Prinz die Galerie verließ, suchte man den Haushofmeister lange vergebens. Endlich fand man ihn, mit überschlagenen


  1. Einer der edelsten spanischen Weine.
  2. Vgl. oben S. 268
  3. Joh. Baptist Bertram (1776–1841), Freund und Genosse der Brüder Boisserée.
  4. In Schillers „Turandot“ (1. Aufzug, 3. Auftritt).
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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 272–273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_139.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)