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5.

Aber dennoch war er auch jetzt nicht zum letztenmal dagewesen. Fröben und er sahen sich noch oft vor dem Bilde, und der Alte gewann den jungen Mann durch sein bescheidenes, aber bestimmtes Urteil, durch seine liebenswürdige Offenheit, durch sein ganzes Wesen, das seine Erziehung, treffliche Kenntnisse und einen für diese Jahre seltenen Takt verriet, immer lieber. Der Alte war fremd in dieser Stadt, er fühlte sich einsam, dennoch war er der Welt nicht so sehr abgestorben, daß er nicht hin und wieder einen Menschen hätte sprechen mögen. So kam es, daß er sich unvermerkt näher an den jungen Fröben anschloß; zog ihn ja dieser auch dadurch so unbeschreiblich an, daß er ein teures Gefühl mit ihm teilte, nämlich die Liebe zu jenem Bilde.

So kam es, daß er den jungen Mann auf dem Spaziergang gerne begleitete, daß er ihn oft einlud, ihm abends Gesellschaft zu leisten. Eines Abends, als der Speisesaal im „König von England“ ungewöhnlich gefüllt war und rings um die beiden fremde Gäste saßen, so daß sie sich im traulichen Gespräche gehindert fühlten, sprach Don Pedro zu seinem jungen Freund: „Sennor, wenn Ihr anders diesen Abend nicht einer Dame versprochen habt, vor ihrem Gitter mit der Laute zu erscheinen, oder wenn Euch nicht sonst ein Versprechen hindert, so möchte ich Euch einladen, eine Flasche ächten Pietro Ximenes[1] mit mir auszustechen auf meinem Gemach.“

„Sie ehren mich unendlich“, antwortete Fröben, „mich bindet kein Versprechen, denn ich kenne hier keine Dame, auch ist es hiesigen Orts nicht Sitte, abends die Laute zu schlagen auf der Straße oder sich mit der Geliebten am Fenster zu unterhalten. Mit Vergnügen werde ich Sie begleiten.“

„Gut; so geduldet Euch hier noch eine Minute, bis ich mit Diego die Zurichtung gemacht; ich werde Euch rufen lassen.“

Der Alte hatte diese Einladung mit einer Art von Feierlichkeit [281] gesprochen, die Fröben sonderbar auffiel. Jetzt erst entsann er sich auch, daß er noch nie auf Don Pedros Zimmer gewesen, denn immer hatten sie sich in dem allgemeinen Speisesaal des Gasthofs getroffen. Doch aus allem zusammen glaubte er schließen zu müssen, daß es eine besondere Höflichkeit sei, die ihm der Portugiese durch diese Einführung bei sich erzeigen wolle. Nach einer Viertelstunde erschien Diego mit zwei silbernen Armleuchtern, neigte sich ehrerbietig vor dem jungen Mann und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Fröben folgte ihm und bemerkte, als er durch den Saal ging, daß alle Trinkgäste neugierig ihm nachschauten und die Köpfe zusammensteckten. Im ersten Stock machte Diego eine Flügelthüre auf und winkte dem Gast, einzutreten. Überrascht blieb dieser auf der Schwelle stehen. Sein alter Freund hatte den Frack abgelegt, ein schwarzes geschlitztes Wams mit roten Buffen angezogen, einen langen Degen mit goldenem Griff umgeschnallt, und ein dunkelroter Mantillo fiel ihm über die Schultern. Feierlich schritt er seinem Gast entgegen und streckte seine dürre Hand aus den reichen Manschetten hervor, ihn zu begrüßen. „Seid mir herzlich willkommen, Don Fröbenio“, sprach er, „stoßet Euch nicht an diesem prunklosen Gemach; auf Reisen, wie Ihr wißt, fügt sich nicht alles wie zu Hause. Weicher allerdings geht es sich in meinem Saale zu Lissabon, und meine Diwans sind echt maurische Arbeit; doch setzet Euch immer zu mir auf dies schmale Ding, Sofa genannt; ist doch der Wein des Herrn Schwaderer echt und gut; setzt Euch.“

Er führte unter diesen Worten den jungen Mann zu einem Sofa; der Tisch vor diesem war mit Konfitüren und Wein besetzt; Diego schenkte ein und brachte Zündstock und Zigarren.

„Schon lange“, hub dann Don Pedro an, „schon lange hätte ich gerne einmal so recht vertraulich zu Euch gesprochen, Don Fröbenio, wenn Ihr anders mein Vertrauen nicht gering achtet. Sehet, wenn wir uns oft zur Mittagsstunde vor Lauras Bildnis trafen, da habe ich Euch, wenn Ihr so recht versunken waret in Anschauung, aufmerksam betrachtet und, vergebt mir, wenn meine alten Augen einen Diebstahl an Euren Augen begingen, ich bemerkte, daß der Gegenstand dieses Gemäldes noch höheres Interesse


  1. Ein geschätzter Malagawein aus gewelkten Trauben.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 280–281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_143.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)