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– ich hätte mir ja eher des Himmels Einfall träumen lassen als diese Neuigkeit; und seit wann?“

„Seit sechs Monaten“, erwiderte der Baron kleinlaut und ohne seinen Gast anzusehen; „doch wie kann dich dies so in Erstaunen setzen? Du kannst dir denken, bei meiner großen Wirtschaft, da ich alles selbst besorge, so –“

„Je nun! Ich finde es ganz natürlich und angemessen; aber wenn ich zurückdenke, wie du dich früher über das Heiraten äußertest, da dachte ich nie daran, daß dir je ein Mädchen recht sein würde.“

„Nein, verzeihe!“ sagte Faldner. „Ich sagte ja immer und schon damals –“

„Nun ja, du sagtest ja immer und schon damals“, rief der junge Mann lächelnd, „und schon damals und immer sagte ich, daß du nach deinen Prätensionen keine finden würdest, denn diese gingen auf ein Ideal, das ich nicht haben möchte und wohl auch nicht zu finden war. Doch noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch. Da aber eine Dame im Hause ist, die uns zum Thee ladet, so kann ich doch wahrlich nicht so in Reisekleidern erscheinen; gedulde dich nur ein wenig, ich werde bald wieder bei dir sein. Auf Wiedersehen!“

Er verließ die Laube, und der Baron sah ihm mit trüben Blicken nach. „Er hat nicht unrecht“, flüsterte er.

Doch in demselben Augenblick trat eine hohe weibliche Gestalt in die Laube. „Wer ging soeben von dir?“ fragte sie schnell und hastig. „Wer sprach dies auf Wiedersehen?“

Der Baron stand auf und sah seine Frau verwundert an; er bemerkte, wie die sonst so zarte Farbe ihrer Wangen in ein glühendes Rot übergegangen war. „Nein! das ist nicht auszuhalten!“ rief er heftig. „Josephe! wie oft muß ich dir sagen, daß Hufeland[1] Leuten von deiner Konstitution jede allzurasche Bewegung streng untersagt; wie du jetzt glühst! Du bist gewiß wieder eine Strecke zu Fuß gegangen und hast dich erhitzt und [297] gehst jetzt gegen alle Vernunft noch in den Garten hinab, wo es schon kühl ist. Immer und ewig muß ich dir alles wiederholen wie einem Kind; schäme dich!“

„Ach, ich habe dich ja nur abholen wollen“, sagte Josephe mit zitternder Stimme; „werde nur nicht gleich so böse; ich bin gewiß den ganzen Weg gefahren und bin auch gar nicht erhitzt. Sei doch gut.“

„Deine Wangen widersprechen“, fuhr er mürrisch fort. „Muß ich denn auch dir immer predigen? Und den Shawl hast du auch nicht umgelegt, wie ich dir sagte, wenn du abends noch herab in den Garten gehst; wozu werfe ich denn das Geld zum Fenster hinaus für dergleichen Dinge, wenn man sie nicht einmal brauchen mag? O Gott! ich möchte oft rasend werden. Auch nicht das Geringste thust du mir zu Gefallen; dein ewiger Eigensinn bringt mich noch um. O, ich möchte oft –“

„Bitte, verzeihe mir, Franz!“ bat sie wehmütig, indem sie große Thränen im Auge zerdrückte. „Ich habe dich den ganzen Tag nicht gesehen und wollte dich hier überraschen; ach, ich dachte ja nicht mehr an das Tuch und an den Abend. Vergib mir, willst du deinem Weib vergeben?“

„Ist ja schon gut, laß mich doch in Ruhe, du weißt, ich liebe solche Szenen nicht, und gar vollends Thränen! Gewöhne dir doch um Gotteswillen die fatale Weichlichkeit ab, über jeden Bettel zu weinen. – Wir haben einen Gast, Fröben, von dem ich dir schon erzählte, er reiste mit mir. Führe dich vernünftig auf, Josephe, hörst du? Laß es an nichts fehlen, daß ich nicht auch noch die Sorgen der Haushaltung auf mir haben muß. Im Salon wird der Thee getrunken.“

Er ging schweigend ihr voran die Allee entlang nach dem Schlosse. Trübe folgte ihm Josephe; eine Frage schwebte auf ihren Lippen, aber so gern sie gesprochen hätte, sie verschloß diese Frage wieder tief in ihre Brust.


11.

Als der Baron spät in der Nacht seinen Gast auf sein Zimmer begleitete, konnte sich dieser nicht enthalten, ihm zu seiner Wahl


  1. Christoph Wilh. Hufeland (1762–1836), Professor der Medizin, besonders bekannt durch sein Werk: „Makrobiotik, oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“ (1796).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 296–297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_151.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)