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Verlorenen Nachricht geben könnte. Fand er nicht in jenem wunderbaren Bilde die täuschendste Ähnlichkeit mit seiner Kousine? Kann nicht die Tochter der Mutter gleichen?“

Er verbarg die Karte schnell, als er die Thüre gehen hörte; er sah sich um, und – Josephe schwebte herein. War es das zierliche Morgenkleid, das ihre zarte Gestalt umschloß, war ihr die Beleuchtung des Tages günstiger als das Kerzenlicht? Sie kam ihm in diesem Augenblick noch unendlich reizender vor als gestern. Ihre Locken flatterten noch kunstlos um die Stirne, der frische Morgen hatte ein feines Rot auf ihre Wangen gehaucht, sie lächelte zu ihrem Morgengruß so freundlich, und doch mußte er sich schon in diesem Augenblick einen Thoren schelten, denn ihre Augen erschienen ihm trübe und verweint.


13.

Sie lud ihn ein, sich zu ihr zum Frühstück zu setzen. Sie erzählte ihm, daß Faldner schon mit Tagesanbruch weggeritten sei und ihr seine Entschuldigung aufgetragen habe; sie beschrieb die mancherlei Geschäfte, die er heute vornehme und die ihn bis zum Mittag zurückhalten werden. „Er hat ein Leben voll Sorgen und Mühen“, sagte sie, „aber ich glaube, daß diese Geschäftigkeit ihm zum Bedürfnis geworden ist.“

„Und ist dies nur in diesen Tagen so?“ fragte Fröben. „Ist jetzt gerade besonders viel zu thun auf den Gütern?“

„Das nicht“, erwiderte sie, „es geht alles seinen gewöhnlichen Gang, er ist so, seit ich ihn kenne. Er ist rastlos in seinen Arbeiten. Diesen Frühling und Sommer verging kein Tag, an welchem er nicht auf dem Gut beschäftigt gewesen wäre.“

„Da werden Sie sich doch oft recht einsam fühlen“, sagte der junge Mann, „so ganz allein auf dem Lande und Faldner den ganzen Tag entfernt.“

„Einsam?“ erwiderte sie mit zitterndem Ton und beugte sich nach einem Tischchen an der Seite; und Fröben sah im Spiegel, wie ihre Lippen schmerzlich zuckten. „Einsam? nein; besucht ja doch die Erinnerung die Einsamen und –“, setzte sie hinzu, indem [303] sie zu lächeln suchte, „glauben Sie denn, die Hausfrau habe in einer so großen Wirtschaft nicht auch recht viel zu thun und zu sorgen? Da ist man nicht einsam oder – man darf es nicht sein.“

Man darf es nicht sein? Du Arme! dachte Fröben. Verbietet dir dein Herz die Träume der Erinnerung, die dich in der Einsamkeit besuchen, oder verbietet dir der harte Freund, einsam zu sein? Es lag etwas im Ton, womit sie jene Worte sagte, das ihrem Lächeln zu widersprechen schien.

„Und doch“, fuhr er fort, um seinen Empfindungen und ihren Worten eine andere Richtung zu geben, „und doch scheinen gerade die Frauen von der Natur ausdrücklich zur Stille und Einsamkeit bestimmt zu sein; wenigstens war bei jenen Völkern, die im allgemeinen die herrlichsten Männer aufzuweisen hatten, die Frau am meisten auf ihr Frauengemach beschränkt, so bei Römern und Griechen, so selbst in unserem Mittelalter.“

„Daß Sie diese Bespiele anführen könnten, hätte ich nicht gedacht“, entgegnete Josephe, indem ihr Auge wie prüfend auf seinen Zügen verweilte. „Glauben Sie mir, Fröben, jede Frau, auch die geringste, merkt dem Mann, ehe sie noch über seine Verhältnisse unterrichtet ist, recht bald an, ob er viel im Kreise der Frauen lebte oder nicht. Und unbestreitbar liegt in solchen Kreisen etwas, das jenen feinen Takt, jenes zarte Gefühl verleiht, immer im Gespräche auszuwählen, was gerade für Frauen taugt, was uns am meisten anspricht; ein Grad der Bildung, der eigentlich keinem Mann fehlen sollte. Sie werden mir dies um so weniger bestreiten“, setzte sie hinzu, „als Sie offenbar einen Teil Ihrer Bildung meinem Geschlecht verdanken.“

„Es liegt etwas Wahres darin“, bemerkte der junge Mann, „und namentlich das letztere will ich zugeben, daß Frauen, weniger auf meine Denkungsart als auf die Art, das Gedachte auszudrücken, Einfluß hatten. Meine Verhältnisse nötigten mich, in der letzten Zeit viel in der großen Welt, namentlich in Damenzirkeln zu leben. Aber eben in diesen Zirkeln wird mir erst recht klar, wie wenig eigentlich die Frauen oder, um mich anders auszudrücken, wie wenige Frauen in dieses großartige Leben und Treiben passen.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 302–303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_154.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)