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so gut wie die älteren über Kunstgegenstände, über Litteratur mitsprechen können. Sie sammelt also den Tag über alle möglichen Kunstausdrücke, liest Journale, um ein Urteil über das neueste Buch zu bekommen, und jeder Abend ist eigentlich ein Examen, eine Schulprüfung für sie, wo sie das auf geschickte Art anbringen muß, was sie gelernt hat. Daß einem Mann von wahrer Bildung, von wahren Kenntnissen vor solchem Geplauder, vor solcher Halbbildung graut, können Sie sich denken; er wird diese Unsitte zuerst lächerlich, nachher gefährlich finden, er wird diese Überbildung verfluchen, welche die Frauen aus ihrem stillen Kreise herausreißt und sie zu Halbmännern macht, während die Männer Halbweiber werden, indem sie sich gewöhnen, alles nach Frauenart zu besprechen und zu beklatschen; er wird für edlere Frauen jene häusliche Stille zurückwünschen, jene Einsamkeit, wo sie zu Hause sind und auf jeden Fall herrlicher brillieren als in einem jener geistreichen Zirkel!“

„Es liegt etwas Wahres in dem, was Sie hier sagten“, erwiderte Frau von Faldner; „ganz kann ich nicht darüber urteilen, weil ich nie das Glück oder das Unglück hatte, in jenen Zirkeln zu leben. Aber mir scheint auch dort, wie überall, das minder Gute nur aus der Übertreibung hervorzugehen. Es ist wahr, was Sie sagen, daß uns Frauen ein engerer Kreis angewiesen ist, jene Häuslichkeit, die einmal unser Beruf ist. Wir werden ohne wahren Halt sein, wir werden uns in ein unsicheres Feld begeben, wenn wir diesen Kreis gänzlich verlassen. Aber wollen Sie uns die Freude einer geistreichen Unterhaltung mit Männern gänzlich rauben? Es ist wahr, solche sieben Abende in der Woche müssen zum Unnatürlichen, zu Überbildung oder zur Erschöpfung führen; aber ließe sich denn hier nicht ein Mittelweg denken?“

„Ich habe mich vielleicht zu stark ausgedrückt, ich wollte –“

„Lassen Sie auch mich ausreden“, sagte sie, ihn sanft zurückdrängend; „Sie sagten selbst, daß Frauen unter sich seltener ein sogenanntes geistreiches Gespräch lange fortführen. Ich weiß nur allzuwohl, wie peinlich in einer Frauengesellschaft eine sogenannte geistreiche Dame ist, welcher alles frivol erscheint, was nicht allgemein, nicht interessant ist. Wir fühlen uns beengt, [307] ängstlich und wollen am Ende mit unserem bißchen Wissen lieber vor einem Mann erröten als vor einer Frau. Gewöhnlich wird, wenn nur Frauen zusammen sind oder Mädchen, die Wirtschaft, das Hauswesen, die Nachbarschaft, vielleicht auch Neuigkeiten oder gar Moden abgehandelt; aber sollen wir denn ganz auf diesen Kreis beschränkt sein? Soll denn, was allgemein interessant und bildend ist, uns ganz fremd bleiben?“

„Gott! Sie verkennen mich, wollte ich denn dies sagen?“

„Es ist wahr“, fuhr sie eifriger fort, „es ist wahr, die Männer besitzen jene tiefe, geregeltere Bildung, jene geordnete Klarheit, die jede Halbbildung oder gar den Schein von Wissen ausschließt oder gering achtet. Aber wie gerne lauschen wir Frauen auf ein Gespräch der Männer, das an Gegenstände grenzt, die uns nicht so ganz ferne liegen. Zum Beispiel über ein interessantes Buch, das wir gelesen, über Bilder, die wir gesehen. Wir lernen gewiß recht viel, wenn wir dabei zuhören oder gar mitsprechen dürfen; unser Urteil, das wir im stillen machten, bildet sich aus und wird richtiger, und jeder gebildeten Frau muß eine solche Unterhaltung angenehm sein. Auch glaube ich kaum, daß die Männer uns dies verargen werden, wenn wir nur“, setzte sie lächelnd hinzu, „nicht selbst glänzen, den bescheidenen Kreis nicht verlassen wollen, der uns einmal angewiesen ist.“


14.

Wie schön war sie in diesem Augenblick; das Gespräch hatte ihre Wangen mit höherem Rot übergossen, ihre Augen leuchteten, und das Lächeln, womit sie schloß, hatte etwas so Zauberisches, Gewinnendes an sich, daß Fröben nicht wußte, ob er mehr die Schönheit dieser Frau oder ihren Geist und die einfach schöne Weise, sich auszudrücken, bewundern sollte.

„Gewiß“, sagte er, in ihren Anblick verloren, „gewiß, wir müßten sehr ungerecht sein, wenn wir solche zarte und gerechte Ansprüche nicht achten wollten; denn die Frau müßte ich für recht unglücklich halten, die bei einem gebildeten Geist, bei einer Freude an Lektüre und gebildeter Unterhaltung keine solche Anklänge

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 306–307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_156.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)