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„Sonderbar!“ bemerkte Josephe, indem sie ihn nachdenklich ansah, „sonderbar; es ist wahr, ich kann mir einen solchen Fall denken, aber dennoch machen Sie eine seltene Ausnahme, lieber Fröben; wissen Sie denn, ob Sie geliebt werden? Ob das Mädchen Ihnen treu ist –“

„Nichts weiß ich von diesem allem“, erwiderte er ernst und mit verschlossenem Gram, „ich weiß nichts, als daß ich glücklich wäre, wenn ich jenes Wesen mein nennen könnte, und weiß nur allzugut, daß ich vielleicht auf immer verzichten muß und nie ganz glücklich werde!“

Je seltener sonst der junge Mann über diese Gefühle sich aussprach, desto mächtiger kamen in diesem Augenblick alle Schmerzen der Erinnerung an gramvolle Stunden und eine Wehmut über ihn, der er sich nicht gewachsen fühlte. Er stand schnell auf und ging aus der Laube dem Schlosse zu. Aber Josephe sah ihm mit Blicken voll unendlicher Liebe nach, Thräne um Thräne löste sich aus den zuckenden Wimpern, und erst als sie wie ein Quell auf ihre schöne Hand herabfielen, erweckten sie Josephen aus ihren Träumen. Und beschämt, als hätte sie sich bei einer geheimen Schuld belauscht, errötete sie und preßte ihr Tuch vor diese verräterischen Augen.


21.

Die Vorhersagung des alten Mechanikus war eingetroffen, denn mit dem letzten Tag der Woche waren auch die Maschinen der Dampfmühle fertig aufgestellt. Der Baron, so unmutig er anfangs gewesen war, hatte in der Freude seines Herzens, als der erste Versuch glücklich gelungen war, den Alten und seine Gesellen reichlich beschenkt entlassen und auf Sonntag alle seine Nachbarn in der Umgegend eingeladen, um mit einem kleinen Feste seine Mühle einzuweihen. So glücklich und heiter er an diesem Tage war, so fröhlich und jovial er seine zahlreichen Gäste empfing, so entging es doch Fröbens beobachtenden Blicken nicht, daß er die arme Josephe mit hunderterlei Aufträgen und Anordnungen plagte, daß sie ihm nichts zu Dank machen konnte. Bald sollte sie in der Küche sein, um das Gesinde anzutreiben und selbst mitzuhelfen, [329] bald besserte er dies oder jenes an ihrem Putz, bald wollte er vor Ungeduld verzweifeln, wenn sie nicht schnell genug die Treppe herabflog, um mit ihm am Portal die Ankommenden zu empfangen, bald wollte er die Tafel so oder anders gestellt haben, bald wollte er den Kaffee im Garten, bald im Salon trinken. Mit Engelsgeduld und einer Resignation, die dem Freunde unbegreiflich war, ertrug sie alle diese Unbilden. Sie war überall, sorgte für alles und wußte sogar einen Augenblick zu finden, um den Gastfreund zu fragen, warum er gerade heute so trübe sei, ihn aufzumuntern, an der allgemeinen Fröhlichkeit teilzunehmen.

Allgemein entzückte die Schönheit, die behende Aufmerksamkeit der Hausfrau; die Männer priesen den Baron glücklich, einen solchen Schatz im Hause zu haben, und mehrere der älteren Damen sagten ihm unverhohlen ihre Bewunderung über die seltenen Talente zur Wirtschaft, über die Einsicht und Ordnung einer so jungen Frau. „Siehst du“, flüsterte der Glückliche[WS 1] Fröben zu, „siehst du, was eine Zucht, wie die meinige, Wunder wirkt? Ich bin im ganzen heute recht zufrieden mit ihr, aber wenn ich nicht im geheimen überall selbst nachhülfe, wie stünde es dann um die wirtschaftliche Ehre der Hausfrau! Aber es macht sich, ich sagte es ja immer, es macht sich.“ Die allgemeine Fröhlichkeit und der Wein steigerten Faldner immer höher, und es war endlich hohe Zeit, die Tafel aufzuheben, denn er und einige Herren aus der Nachbarschaft erlaubten sich schon Scherze und Anspielungen, welche jedes zartere Ohr beleidigten.

Man fuhr nach der neuen Dampfmühle, man weihte sie unter Scherz und Lachen förmlich ein, man ging wieder zurück und erstaunte aufs neue über die geschmackvollen und doch so bequemen Anordnungen, welche Josephe indessen im Garten getroffen hatte. Sie hatte es gewagt, nach ihrer eigenen Erfindung schnell eine große geräumige Laube errichten zu lassen; alle möglichen Erfrischungen erwarteten dort die Gäste, und ihr allgemeines Lob bewirkte ein Wunder, der Baron wurde nicht einmal ungehalten, daß man junge Eschen und Tannen aus seinem Wald zu der Laube verwendet, daß man seinen eigenen Plan, ein Zelt aus Brettern und Teppichen aufzuschlagen, nicht befolgt hatte. Er

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: glückliche
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 328–329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_167.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)