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ich das Necken nicht lassen. Ich bin gestraft genug, daß der schöne Tag so elend endete und daß mein Haus jetzt vier Wochen lang das Gespräch der Umgegend sein wird. Verbittere mir nicht vollends das Leben und sei mir wieder freundlich wie zuvor.“

„Lasse lieber die ganze Geschichte ruhen“, entgegnete Fröben finster, indem er ihm die Hand bot; „ich liebe es nicht, über dergleichen mich noch weiter auszusprechen; aber morgen will ich fort, weiter; hier bleibe ich nicht länger.“

„Sei doch kein Narr!“ rief Faldner, der dies nicht erwartet hatte und ernstlich erschrak. „Wegen einer solchen Szene gleich aufbrechen zu wollen! Ich sagte es ja immer, daß du ein solcher Hitzkopf bist. Nein, daraus wird nichts; und hast du mir nicht versprochen, zu warten, bis Briefe da sind vom Don in W.? Nein, du darfst mir nicht schon wieder weggehen; und wegen der Gesellschaft hast du dich nicht zu schämen, sie alle, besonders die Frauen, schalten mich tüchtig aus, sie gaben dir völlig recht und sagten, ich sei an allem schuld.“

„Wie geht es deiner Frau?“ fragte Fröben, um diesen Erinnerungen auszuweichen.

„Ganz hergestellt, es war nur so ein kleiner Schrecken, weil sie fürchtete, wir werden ernstlich aneinander geraten; sie wartet mit dem Frühstück auf dich; komm’ jetzt mit herunter und sei vernünftig und nimm Räson an. Ich muß ausreiten, nimm es mir nicht übel, die Mühle kömmt heute in Gang. Du bist also wieder ganz wie zuvor?“

„Nun ja doch!“ sagte der junge Mann ärgerlich. „Laß doch einmal die ganze Geschichte ruhen.“ Er folgte mit sonderbaren Gefühlen, die er selbst nicht recht zu deuten wußte, dem Baron, der vergnügt über die schnelle Versöhnung seines Freundes ihm voraneilte, seiner Frau schnell berichtete, was er ausgerichtet habe, und dann das Schloß verließ, um seine Mühle in Gang zu bringen.

Hatte sich denn heute auf einmal alles so ganz anders gestaltet, oder war nur er selbst anders geworden? Josephens Züge, ihr ganzes Wesen schien Fröben verändert, als er bei ihr eintrat. Eine stille Wehmut, eine weiche Trauer schien über ihr Antlitz [353] ausgegossen, und doch war ihr Lächeln so hold, so traulich, als sie ihn willkommen hieß. Sie schrieb ihr gesteriges Übel allzu großer Anstrengung zu und schien überhaupt von dem ganzen Vorfall nicht gerne zu sprechen. Aber Fröben, dem an der guten Meinung seiner Freundin so viel lag, konnte es nicht ertragen, daß sie beinahe geflissentlich seine Erzählung gar nicht berührte. „Nein“, rief er, „ich lasse Sie nicht so entschlüpfen, gnädige Frau! An dem Urteil der andern über mich lag mir wenig; was kümmert es mich, ob solche Alltagsmenschen mich nach ihrem gemeinen Maßstab messen! Aber wahrhaftig, es würde mich unendlich schmerzen, wenn auch Sie mich falsch beurteilten, wenn auch Sie Gedanken Raum gäben, die mich in Ihren Augen so tief herabsetzen müssen, wenn auch Sie die Wahrheit jener Erzählung bezweifelten, die ich freilich solchen Ohren nie hätte preisgeben sollen. O, ich beschwöre Sie, sagen Sie recht aufrichtig, was Sie von mir und jener Geschichte denken?“

Sie sah ihn lange an, ihr schönes großes Auge füllte sich mit Thränen, sie drückte seine Hand: „O Fröben, was ich davon denke?“ sagte sie. „Und wenn die ganze Welt an der Wahrheit zweifeln würde, ich wüßte dennoch gewiß, daß Sie wahr gesprochen! Sie wissen ja nicht, wie gut ich Sie kenne!“

Er errötete freudig und küßte ihre Hand. „Wie gütig sind Sie, daß Sie mich nicht verkennen. Und gewiß, ich habe alles, alles genau nach der Wahrheit erzählt.“

„Und dieses Mädchen“, fuhr sie fort, „ist wohl dieselbe, von welcher Sie mir letzthin sagten? Erinnern Sie sich nicht, als wir von Viktor und Klothilde sprachen, daß Sie mir gestanden, Sie lieben hoffnungslos? Ist es dieselbe?“

„Sie ist es“, erwiderte er traurig. „Nein, Sie werden mich wegen dieser Thorheit nicht auslachen, Sie fühlen zu tief, als daß Sie dies lächerlich finden könnten. Ich weiß alles, was man dagegen sagen kann, ich schalt mich selbst oft genug einen Thoren, einen Phantasten, der einem Schatten nachjage; ich weiß ja nicht einmal, ob sie mich liebt.“

„Sie liebt Sie!“ rief Josephe unwillkürlich aus; doch, über ihre eigenen Worte errötend, setzte sie hinzu: „Sie muß Sie lieben;

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 352–353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_179.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)