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dich“, flüsterte er, „trug sie einen grünen Schleier, hatte sie nicht eine große schwarze Brille auf?“

Der alte Gärtner sah ihn mißtrauisch und kopfschüttelnd an. „Eine schwarze Brille?“ fragte er, „die gnädige Frau eine große schwarze Brille? Ei du Herrgott, wo denken Sie hin, sie hat so scharfe, klare Augen wie eine Gemse, und soll eine Brille auf der Nase tragen, mit Respekt zu melden, eine große schwarze Brille, wie sie die alten Weiber in der Kirche auf die Nase klemmen, daß es feiner schnarrt, wenn sie singen? Nein, gnädiger Herr, solche schlechte Gedanken müssen Sie sich aus dem Kopf schlagen, das ist nichts; und nehmen Sie es nicht ungütig, aber eine Mütze sollten Sie doch aufsetzen bei dieser Hitze, es ist von wegen des Sonnenstichs.“ So sprach der Alte und ging kopfschüttelnd weiter; den übrigen Dienstboten aber deutete er mit sehr verdächtiger Bewegung des Zeigefingers ans Hirn an, daß es mit dem jungen Herrn Gast hier oben nicht recht richtig sein müsse.


31.

Auch jetzt kam Fröben zu keinem andern Resultat, als daß das Betragen jenes Mädchens, das er so innig liebte, unbegreiflich sei. Und dieses rätselhafte Spiel mit seinem Schmerz, mit seiner Sehnsucht, beschäftigte ihn so ganz ausschließlich, daß ihm vieles entging, was ihm sonst wohl hätte auffallen müssen. Josephe kam mit verweinten Augen zu Tische. Der Baron war verstimmt und einsilbig und schien seinem inneren Unmut, der ihm um die Stirne lag und deutlich aus den Augen sprach, hie und da durch einen Fluch über die schlechte Küche und die noch schlechtere Haushaltung Luft machen zu müssen. Die unglückliche Frau ließ alles still und geduldig über sich ergehen; sie schickte zuweilen, als wolle sie Hülfe oder Trost suchen, einen flüchtigen Blick nach Fröben hinüber; ach, sie bemerkte nicht, wie ihr Gatte diese Blicke belauerte, wie seine Stirne sich röter färbte, wenn er ihre Augen auf diesem Wege traf.

An Fröbens Auge und Ohr ging dies vorüber als etwas, an das er sich schon gewöhnt hatte; er gab sich nicht einmal die [361] Mühe, Josephe um die Ursache dieses Aufbrausens zu befragen. Es fiel ihm nicht auf, daß sie zurückhaltender gegen ihn war im Beisein Faldners, er schrieb es der gewöhnlichen Geschäftigkeit seines Freundes zu, daß ihn dieser in den nächsten Tagen nötigte, mit ihm da- und dorthin auf das Gut zu gehen und in Wald und Feld oft einen großen Teil des Tages mit Messungen und Berechnungen hinzubringen. Als er aber eines Morgens, als ihn Faldner schon gestiefelt und gespornt erwartete, eine kleine Unpäßlichkeit vorschützte, um diesen unangenehmen Feldbesuchen zu entgehen, als er arglos hinwarf, daß er doch Josephen auch einmal wieder vorlesen müsse, da wollte es ihm doch auffallend dünken, daß der Baron unmutig rief: „Nein, sie soll mir nichts mehr lesen, gar nichts mehr. Es geht ohnedies seit einiger Zeit alles konträr. Das könnte ich vollends brauchen, wenn sie den ganzen Morgen mit Lesen zubrächte und solche Romanideen im Kopfe trüge, wie ich schon welche habe spuken sehen. Lies dir in Gottes Namen selbst vor, lieber Fröben, und nimm mir nicht übel, wenn ich mein Weib anders placiere. Du gehst in den Garten nach dem Frühstück, Josephe; es soll heute Gemüse ausgestochen werden, nachher bist du so gütig und gehst zu Pastors, du bist dort seit lange einen Besuch schuldig.“ Mit diesen Worten nahm er seine Reitpeitsche vom Tische und schritt davon.

„Was soll denn das? Was hat er denn heute?“ fragte Fröben staunend die junge Frau, die kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermochte.

„O, er ist so ziemlich wie sonst“, erwiderte sie, ohne aufzublicken; „Ihre Anwesenheit hat ihn einige Zeit lang aus dem gewöhnlichen Gleise gebracht; Sie sehen, er ist jetzt wieder nun wie zuvor.“

„Aber mein Gott“, rief er unmutig, „so schicken Sie doch eine Magd in den Garten!“

„Ich darf nicht“, sagte sie bestimmt. „Ich muß selbst zusehen, er will es ja haben.“

„Und den Besuch bei Pastors – ?“

„Muß ich machen, Sie haben es ja gehört, daß ich ihn machen muß; lassen wir das, es ist einmal so. Aber Sie“, fuhr Josephe fort, „Sie, mein Freund, scheinen mir seit einigen Tagen verändert,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 360–361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_183.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)