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Farbe seines Turbans ist ja dieselbe, wie ihn die Scharmante des Juden hat!“

Die jungen Männer wandten sich um und sahen einen schlanken, schön gewachsenen Mann, der, als Sarazene gekleidet, sich durch die einfache Pracht seines Kostüms wie durch Gang und Haltung vor gemeineren Masken auszeichnete. Auch er schien die jungen Männer ins Auge gefaßt zu haben, denn er ging langsam an sie heran und zögerte, an ihnen vorüber zu schreiten.

„Was ist deine Parole“, fragte der eine der jungen Männer, der in der Maske einen Freund zu erkennen glaubte; „hast du nur dein Allah zum Feldgeschrei oder weißt du sonst noch ein Sprüchlein?“

„Gaudeamus igitur, juvenes dum sumus“[WS 1], erwiderte der Sarazene, indem er stille stand.

„Er ist’s, er ist’s“, riefen zwei dieser jungen Herrn und schüttelten die Hand des Sarazenen; „gut, daß wir die Parole gaben, ich hätte sonst kein Erkennungszeichen für dich gehabt, denn ich war meiner Sache so gewiß, du seiest als Bauer hier, daß ich mit dem Kapitän eine Flasche gewettet habe, du müßtest ein Bauer sein!“

„Laßt uns ans Büffett treten“, sagte der zweite, „ich habe dir hier jemand vorzustellen, Bruder Gustav, der sich auf deine Bekanntschaft freut, und du weißt, in Larven erkennt man sich schlecht.“

„Freund“, erwiderte Gustav, „ich nehme die Larve nicht ab, ich habe Gründe; so angenehm mir die Bekanntschaft dieses Herrn wäre, so muß ich sie doch bis auf morgen versparen.“

„Und wenn es nun Pinassa wäre, nach welchem du so oft gefragt?“ antwortete jener.

„Pinassa? mit dem du dich geschlagen? Nein, das ändert die Sache, den will ich sehen und begrüßen; aber – meine Maske nehme ich nur auf zwei Augenblicke und im fernsten Winkel des Speisesaals ab.“

„Wir sind’s zufrieden, Bruder Sarazene“, antwortete der Kapitän. „Aber laß uns nur erst an die zweite Flasche kommen, dann sollst du auch die Gründe beichten, warum du dein Angesicht nicht leuchten lassen willst vor den Freunden!“


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2.

In dem Speisesaal, welchen sie wählten, waren nur wenige Menschen, denn man verkaufte hier nur ausgesuchte Weine, feine Früchte und warme Getränke, während die größeren Trinkstuben, wo Landwein, Bier und derbere Speisen zu haben waren, die größere Menge an sich zogen. In einer Ecke des Zimmers war ein Tischchen leer, wo der Sarazene, wenn er dem übrigen Teil des Saales den Rücken kehrte, ohne Gefahr erkannt zu werden, die Maske abnehmen konnte. Sie wählten diesen Platz, und als die vollen Römer vor ihnen standen, legten die zwei jungen Krieger die Masken ab, und der Kapitän begann: „Herr Bruder, ich habe die Ehre, dir hier den unvergleichlichen Kavalier Pinassa vorzustellen, den berühmtesten Fechter seiner Zeit; denn es gelang ihm, durch eine unbesiegliche Terz-Quart-Terz, mich, bedenke mich, den Senior des Amicistenordens, in Leipzigs unvergeßlichem Rosenthal hors de combat[WS 2] zu machen. Er hat gleich mir die Musen verlassen, hat gesungen: ‚Will mir Minerva nicht, so mag Bellona raten‘[1], und hat den alten Hieber und sein ungeheures Stichblatt, worauf er sein Frühstück zu verzehren pflegte, mit dem Paradedegen eines herzoglich württembergischen Lieutenants vertauscht.“

„Der Tausch ist nicht übel, Herr von Pinassa, und mein Vaterland kann sich dazu Glück wünschen“, sagte der Sarazene, indem er sich vor dem neuen Lieutenant verbeugte. „Wolltet Ihr einmal in unsern Dienst treten, so war diese Laufbahn die angenehmste. Der Zivilist hat zu dieser Zeit wenig Aussicht, wenn er nicht ein Amt für fünftausend Gulden oder für sein Gewissen und ehrlichen Namen beim Juden kaufen will. Doch diese dünnen Bretterwände haben Ohren – stille davon, es ist doch nicht zu ändern. Wie anders sind Eure Verhältnisse! Der Herzog ist ein tapferer Herr, dem ich einen Staat von zweimalhunderttausend Kriegern gönnen möchte; für uns – ist er zu groß. Der Krieg


  1. Bellona, die römische Kriegsgöttin und Gefährtin des Mars, steht hier im Gegensatz zu Minerva, die mehr als Göttin der geistigen Kraft, der Kunst und Wissenschaft betrachtet wird.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gaudeamus igitur, bekanntes Studentenlied
  2. hors de combat, außer Gefecht gesetzt, kampfunfähig
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 384–385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_195.png&oldid=- (Version vom 30.1.2023)